Überreagiere ich?

Für alles was nicht in die anderen Boards passt
Rouven90
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Überreagiere ich?

Beitrag von Rouven90 »

Moin zusammen,

Reagiere ich über? Ich bin momentan dauer genervt.
Ich arbeite in einem 60 Mann großen(kleinen) Produktionsbetrieb. Wir haben einen großen Maschinenpark, für den Herstellprozess unseres Produkts. Die Maschinen sind alle recht groß, komplex und teils auch sehr gefährlich. Die Hallen wurden im laufe der Jahre immer mehr, die Elektrik von den 60ern bis heute, alles dabei.
Ich bin dort seit Okt. 2016 Elektromeister(mein Vorgänger ist in Rente), Leiter der Instandhaltung und keine schriftlich beauftragte vEFK. Zu meinem Team gehören noch zwei Mitarbeiter. Einer ist Elektromechanik Meister der andre Ausgebildeter Elektroniker.
Wir sind sowohl für die Anlagen als auch für die Maschinen zuständig.

Wenn neue Maschinen gekauft werden, sind wir die letzten die davon hören. Es gibt keine Abnahme Protokolle, keine Prüfnachweise. Auf nachfrage bei meinen Chefs erhalte ich nur Kopfschütteln. "Unwichtig" heißt es.

Die Anlagenprüfung wurde noch nie durchgeführt, als ich schriftlich darauf hingewiesen habe, bekam ich keine Antwort. Mündlich wurde mir mitgeteilt :"Unwichtig"
Maschinen Prüfung das selbe in grün.

Nun wurde wieder eine Maschine angeschafft. In diesem Fall eine Unvollständige Maschine. ( Ein 300kW großer Wärmetauscher mit Schaltschrank und eigener Steuerung usw) Diese sollen wir nun in die bestehende Anlage einbinden. (die selbst noch im Aufbau ist- der Hersteller dieser Maschine hat kein Auftrag den Wärmetauscher in seine zu integrieren. )
Ich habe daraufhin meinen Chefs erzählt, dass wir laut Maschinenrichtlinie zum Hersteller dieser Maschine werden und alle nötigen Unterlagen, Prüfungen und eine Konfi ausstellen müssen. Mir wurde dann mitgeteilt, dass ich keine Ahnung habe und dies nicht notwendig sei.

Genau genommen werden im Betrieb nahe zu keine Prüfungen eingehalten. Ich fühle mich veräppelt und nicht ernst genommen. Dazu frage ich mich, was alles dabei im Ernstfall auf mich zurück fallen könnte.

Mein Vorschlag uns zusammen zu setzten, gemeinsam über alle Themen zu sprechen, sie zu Priorisieren und Terminieren wurde abgelehnt. Denn dafür würden wir externe Hilfe benötigen, die wir bezahlen müssten.
Wir haben ein VDE0701/702 und VDE 0100/105 Messgerät, aber nicht annähert die Zeit alles selbst zu prüfen.

Eure Meinung aus anderem Blickwinkeln?

Mit freundlichen Grüßen,
Rouven
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Wulff
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Re: Überreagiere ich?

Beitrag von Wulff »

Oha!

Dickes Brett, was du bohren muss!

Eingangsfrage: Überreaktion? Nein, nach meiner Einschätzung nicht. Wenn du das als verantwortungsvolle Aufgabe siehst, würde ich deine Gedanken und Vorgehensweise als richtig beurteilen. Zum Glück bist du ja noch nicht als VEFK bestellt. ...

Allerdings würde ich bezweifeln, dass das immer helfen kann, wenn es einen Vorfall gibt... Ob deinem Chef denn bekannt ist, wieweit er mit drin hängt, wenn dort etwas passiert ist?


Was tun: Das ist tatsächlich eine gute Frage, wenn kein Gespräch zugelassen wird.

Gibt es denn keinen Sicherheitsbeauftragten oder sicherheitsfachkraft im Betrieb? Bei 60 Leuten ist schon einiges an Potential für eine SiFa da!
Vielleicht mal mit der BG sprechen? Die sind auch nicht alle böse, sondern helfen auch Betrieben in vielerlei Hinsicht präventiv...


Im Extremfall bleibt natürlich nur kündigen. Wobei das vielleicht die letzte Maßnahme sein sollte. Wenn dir allerdings dämmert, dass deine Existenz möglicherweise bei einem Verbleib mehr gefährdet ist als bei einer Kündigung (Ich kenne deine Jobsituaion nicht: Harte Faktoren: Umgebung andere Arbeitsplatzmöglichkeiten, Einkommen usw; weiche Faktoren: psychische Belastung am Arbeitsplatz ) wirst du zu einem eindeutigen Ergebnis kommen
Rouven90
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Re: Überreagiere ich?

Beitrag von Rouven90 »

Moin,
Wulff hat geschrieben: Freitag 3. Januar 2020, 12:30 Allerdings würde ich bezweifeln, dass das immer helfen kann, wenn es einen Vorfall gibt... Ob deinem Chef denn bekannt ist, wieweit er mit drin hängt, wenn dort etwas passiert ist?
Denke ich ähnlich,..
Wulff hat geschrieben: Freitag 3. Januar 2020, 12:30 Gibt es denn keinen Sicherheitsbeauftragten oder sicherheitsfachkraft im Betrieb? Bei 60 Leuten ist schon einiges an Potential für eine SiFa da!
Vielleicht mal mit der BG sprechen? Die sind auch nicht alle böse, sondern helfen auch Betrieben in vielerlei Hinsicht präventiv...
Externen, ja. Dieser wird aber geschickt um die Probleme herum geführt.
Interne Sicherheitsbeauftragte gibt es, aber die wollen die Probleme nicht sehen bzw. sind Elektrische Leihen.
Wulff hat geschrieben: Freitag 3. Januar 2020, 12:30 m Extremfall bleibt natürlich nur kündigen. Wobei das vielleicht die letzte Maßnahme sein sollte. Wenn dir allerdings dämmert, dass deine Existenz möglicherweise bei einem Verbleib mehr gefährdet ist als bei einer Kündigung (Ich kenne deine Jobsituaion nicht: Harte Faktoren: Umgebung andere Arbeitsplatzmöglichkeiten, Einkommen usw; weiche Faktoren: psychische Belastung am Arbeitsplatz ) wirst du zu einem eindeutigen Ergebnis kommen
Ich bin noch jung, der Arbeitsmarkt ist ja momentan auch gut. Ich bin halt am überlegen, evtl ist es überall ähnlich und ich habe es vorher nie so genau betrachtet.
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Wulff
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Re: Überreagiere ich?

Beitrag von Wulff »

[/quote]
Ich bin halt am überlegen, evtl ist es überall ähnlich und ich habe es vorher nie so genau betrachtet.
[/quote]

Sei versichert: Es ist nicht überall so. Das ist dann ja auch ein Aufhänger für die Bewerberfragen im Bewerbungsgespräch, fachlicher Teil...
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Wulff
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Re: Überreagiere ich?

Beitrag von Wulff »

Sei versichert: Es ist nicht überall so. Das ist dann ja auch ein Aufhänger für die Bewerberfragen im Bewerbungsgespräch, fachlicher Teil...
E-Jens
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Re: Überreagiere ich?

Beitrag von E-Jens »

Hallo,

ich habe den Job, in dem Elektrotechnik und Arbeitsschutz ernst genommen werden, noch nicht gefunden. Ich kenne es nur so, dass alles unwichtig ist, wenn die Produktion schneller werden soll. hair1
Um Elektrotechnik kümmert sich bei uns der Prokurist (Kfz Meister). Frei nach dem Motto „geht doch“. Fachwissen ist dabei nur störend und „Widerstände“ werden mit den „guten“ Aufträgen honoriert. :schimpf:

Also, wer eine guten Job für einen Elektromeister hat, her damit. Ich bin gespannt. zeit1
Gruß Jens
IH-Elektriker
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Re: Überreagiere ich?

Beitrag von IH-Elektriker »

E-Jens hat geschrieben: Freitag 3. Januar 2020, 13:55 ich habe den Job, in dem Elektrotechnik und Arbeitsschutz ernst genommen werden, noch nicht gefunden. Ich kenne es nur so, dass alles unwichtig ist, wenn die Produktion schneller werden soll. hair1
Das ist nicht überall so. Klar wird laut geschrien wenn eine Sicherheitsmaßnahme die Produktion ausbremst, aber bei uns wird man als Fachmann immer noch ernst genommen und es gibt Rückendeckung aus der Leitungsebene auch für unpopuläre Entscheidungen.

Man sollte halt nicht als Ober-Über-Bedenkenträger daherkommen der schon in jeder kleinsten Situation eine elektrische oder sonstige Gefährdung "wittert" - dann wird man irgendwann nicht mehr ernst genommen bzw. informiert bzw. entscheidungsmäßig überstimmt. Ansonsten ist es aber so das meine Vorgesetzten wissen das wenn ich bspw. eine Anlage stilllegen lasse da dann wirklich Gefahr in Verzug ist und Sicherheitsmaßnahmen angemessen umgesetzt werden.

Aber auf die Ausgangsfrage des Threadstarters zurückzukommen. Erst mal hilft die konseqente Anwendung des Satzes "Melden macht Frei!" sprich die Entschsidungsträger schriftlich auf alle Missstände hinweisen und ggf. um eine schriftliche Antwort bitten um diese entsprechend aktenmäßig ablegen zu können und im Falle eines Falles was vorliegen zu haben.

Wenn es keine schriftlichen Aussagen gibt dann würde ich versuchen die Gespräche nur unter Zeugen zu führen (sprich einen Kollegen mitnehmen) und sich später selbst eine Gesprächsnotiz dazu anzulegen.

Die Sicherheitsfachkraft (wenn es denn eine gibt) anzusprechen ist auch eine gute Idee. Wenn die natürlich auch alles abwiegelt und abwürgt - dann gibt es immer noch die Berufsgenossenschaft und man kan da seinen zuständigen Aufsichtsbeamten zu Rate ziehen. Notfalls (wenn man Angst um seinen Job hat) kann man das auch anonym machen, dann kommt die BG quaqsi "mal einfach so" und möchte rein "zufällig" wissen wie dieses und jenes läuft - und mach ggf. den Vorgesetzten bzw. Entscheidern klar was auf diese zukommen kann, so rein rechtlich falls es einen Unfall gibt.

Die Frage ist allerdings wirklich ob man noch in einem Betrieb arbeiten will der so schlampig mit den Themen Arbeitssicherheit und Elektrosicherheit umgeht....
Olaf S-H
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Re: Überreagiere ich?

Beitrag von Olaf S-H »

Rouven90 hat geschrieben: Freitag 3. Januar 2020, 11:33 ... Ich bin momentan dauer genervt. ...
Moin Rouven,

wenn morgens schon mehr Schatten als Licht erwartet wird und keine Aussicht auf Besserung besteht, dann wird es erforderlich, den Arbeitgeber zu wechseln.

Lade per Outlook-Einladung zu einem Termin ein. Beschreibe in der Einladung kurz Deine Beweggründe. Kommen nur Absagen oder ist der Termin nicht zielführend, dann bitte um ein Zwischenzeugnis. Danach nutze Deine Möglichkeiten und Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

Gruß Olaf
Dies ist keine rechtsverbindliche Auskunft sondern meine Meinung bzw. mein Tipp für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland! Die einschlägigen Normen/Vorschriften (z. B. DIN, VDE, TAB, DGUV, TRBS, BekBS, NAV, EN, LBO, LAR, ArbStättV, BetrSichV, ProdSG, ...) sind zu beachten. Ein Rechtsanspruch kann hieraus nicht abgeleitet werden. Die Nennung von Fundstellen in Regelwerken stellt keine Rechtsberatung sondern nur die Sichtweise des Verfassers dar.
vde1
Für elektrotechnische Laien gilt: Dieser Beitrag erläutert die technischen Zusammenhänge. Die Umsetzung obliegt den konzessionierten Fachbetrieben (§13(2)NAV).

"Wer eine Handlung begeht, der übernimmt auch alle daraus folgende Pflichten." §33 I-3 prALR 1794
meisterglücklich
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Re: Überreagiere ich?

Beitrag von meisterglücklich »

Ich habe es gerade umgekehrt. Der Betriebselektriker im Unternehmen, hat - übrigens ohne zur VEFK bestellt worden zu sein, seine Brötchengeber davon überzeugen können (wegen Haftung und Gefährdung und schlechter Presse, wenn denn etwas passierte), externen Sachverstand einzukaufen, der mit ihm zusammen eine Handlungsempfehlung erstellt, mit der das Risiko schrittweise unter laufendem Betrieb reduziert wird, mit Priorisierung natürlich, die Umsetzung gehört zum Auftrag dazu.
Er hat auch kommuniziert, daß er nur so an dem Projekt arbeiten kann, da er das alleine definitiv nicht schaffen würde.

Der aktuelle Arbeitsmarkt führt dazu, daß auch die Drohung mit Kündigung als Argument dient.
Ich habe von einem Chefarzt gehört, daß seine Untergebenen Urlaubsanträge gestellt haben mit der Bemerkung: Wenn der nicht genehmigt wird, kündige ich halt. Nachdem der erste seine Drohung wahrgemacht hatte und Apelle nichts mehr nutzten, blieb dem Vorgesetzten nicht anderes übrig als selbst Vierfachschichten zu fahren, lange dürfte das allerdings nicht gutgehen...

Ein Angestellter eines Kunden nahm die Abmahnung wegen Schlechtleistung mit einem Grinsen entgegen, mit dem Kommentar: Chef, du kannst mich sowieso nicht entlassen, weil dur gar keinen anderen Blöden findest, der meine Arbeit macht. Der Chef sagte mir: Eigentlich hätte ich ihn für seine Unverschämtheit gleich fristlos entlassen müssen, aber dummerweise hat er ja recht...

Bevor man sich also mit Beratungsresistenten rumärgert, was ja auch eine psychische Belastung darstellt, sollte man also neben der Verbesserung der Sicherheit im eigenen Betrieb einen Plan B entwickeln, der diese Tätigkeit in einem anderen Betrieb umsetzt, wenn die Kollegen vertrauenswürdig und zuverlässig sind, mag sogar der Wechsel des kompletten Teams vorstellbar sein.
Ansonsten bzw. für den Übergang: Melden befreit, zunächst an die Vorgesetzten/die Betriebsleitung.
Natürlich ist die fehlende Konformitätserklärung ein formaler Mangel, aber man sollte sich erstmal an den konkreten Sicherheitmängeln abarbeiten oder auf Mißstände hinweisen, wo eine Personengefährdung, aber auch eine Gefährdung der Betriebsabläufe durch Stillstand wegen Sicherheitsmängeln drohen.
Den BG-Onkel mag man auch informell nicht dazuholen, wenn die Mängel so eklatant sind und noch nicht mal eine eigene Priorisierung zur Abstellung/Minderung existiert.
Nicht, daß die Produktion von heute auf morgen doch tatsächlich stillsteht oder blinder Aktionismus zu Arbeitsüberlastung führt.
Viel Glück!
Rouven90
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Re: Überreagiere ich?

Beitrag von Rouven90 »

Moin,

vielen Dank für eure Meinungen und Ansichten.
Ich werde jetzt erst einmal genau schauen was der Markt bietet, Gespräche extern führen und dann quasi ein letztes Internes Gespräch.
Bisher führten diese zu nichts, doch wenn Ihnen bewusst wird das sie mich verlieren könnten,- wer weiß.
Antworten