Ist Messen eine AuS-Tätigkeit?

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ttwonder
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Ist Messen eine AuS-Tätigkeit?

Beitrag von ttwonder »

Hallo,

normalerweise bin ich ja eher der Schreibtischtäter. Doch jetzt ist man auf die Idee gekommen, mich mit gutachterlichen Tätigkeiten, also Netzanalysen, Lastgangermittlung etc. zu betrauen. Heute habe ich mal mit der Verwaltungs-BG (für Ingenieurbüros zuständig) gesprochen, was beim Thema Unfallverhütung hier zu tun ist. Man sagte mir, dass es von der BG ETEM eine Publikation gibt, in der steht, dass das Heranführen von Prüfklemmen an aktive Leiter keine AuS-Tätigkeit ist. Auf der anderen Seite bin ich mir beim Setzen einer Stromzange da nicht so sicher. Und bedenken muss man auch, dass man immer in fremden Anlagen unterwegs ist und die Dokumentation ja auch oft nicht stimmt. Außerdem habe ich mal jemanden gehört, der erzählt hat, das das Anwenden der dritten Regel bereits eine AuS-Tätigkeit ist, das halte ich nun wieder für weit hergeholt.

Wie auch immer, die BG geht auf Nummer sicher und rät, einen AuS-Lehrgang zu machen. Mein Chef ist nicht ganz abgeneigt, daher werde ich das mitnehmen. Aber mich würde interssieren, ob jemand noch eigene Erfahrungen oder Einschätzungen zu dem Thema hat.

Freue mich auf Eure Antworten.

Danke & Gruß
Jörg
bernd52
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Re: Ist Messen eine AuS-Tätigkeit?

Beitrag von bernd52 »

ja, aber eine erlaubte wenn mit den richtigen Arbeitsmitteln gearbeitet wird.....
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cyclist
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Re: Ist Messen eine AuS-Tätigkeit?

Beitrag von cyclist »

Hallo Jörg,
es kommt darauf an...
Handelt es sich um eine kleine UV im Wohnungsbau, oder um eine NSHV mit 1kA oder mehr Nennstrom?
Wenn letzteres ist wohl eher AuS als wie bei einer kleinen UV.
Vor allem kommt es auf die Kurzschlussenergie an.
Empfehlenswert ist auf alle Fälle - speziell wenn es um größere Anlagen mit viel Kurzschlussenergie geht - eine entsprechende PSA --> Jacke, Hose, Pulli, Helm mit Visier oder "Fluchthaube", Handschuhe, Gummitücher + Klammern.
Dazu kommt noch das ganze organisatorische, sprich Gefährdungsbeurteilung usw.

Wir machen zwar kein hartes AuS, sondern "nur" Prüfung ortsfester Anlagen u. Maschinen, manchmal ist das aber schon nahe dran an AuS, daher haben wir alle einen AuS-Lehrgang bekommen.
Vorsichtshalber: Dieser Beitrag stellt keine, in diesem Forum nicht zulässige, Rechtsberatung dar.
Ciao + Gruss
Markus
Olaf S-H
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Re: Ist Messen eine AuS-Tätigkeit?

Beitrag von Olaf S-H »

bernd52 hat geschrieben: Mittwoch 21. März 2018, 19:15 ja, aber eine erlaubte wenn mit den richtigen Arbeitsmitteln gearbeitet wird.....
Moin Bernd,

welches AuS ist denn verboten?

Gruß Olaf
Dies ist keine rechtsverbindliche Auskunft sondern meine Meinung bzw. mein Tipp für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland! Die einschlägigen Normen/Vorschriften (z. B. DIN, VDE, TAB, DGUV, TRBS, BekBS, NAV, EN, LBO, LAR, ArbStättV, BetrSichV, ProdSG, ...) sind zu beachten. Ein Rechtsanspruch kann hieraus nicht abgeleitet werden. Die Nennung von Fundstellen in Regelwerken stellt keine Rechtsberatung sondern nur die Sichtweise des Verfassers dar.
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Für elektrotechnische Laien gilt: Dieser Beitrag erläutert die technischen Zusammenhänge. Die Umsetzung obliegt den konzessionierten Fachbetrieben (§13(2)NAV).

"Wer eine Handlung begeht, der übernimmt auch alle daraus folgende Pflichten." §33 I-3 prALR 1794
Olaf S-H
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Re: Ist Messen eine AuS-Tätigkeit?

Beitrag von Olaf S-H »

cyclist hat geschrieben: Mittwoch 21. März 2018, 20:01 ... Handelt es sich um eine kleine UV im Wohnungsbau, oder um eine NSHV mit 1kA oder mehr Nennstrom? ...
Moin cyclist,

der Ort ist hier nicht ausschlaggebend. Du differenzierst ja auch nicht nach AuS im Privtbereich und AuS in gewerblichen Anlagen.

Gruß Olaf
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Olaf S-H
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Re: Ist Messen eine AuS-Tätigkeit?

Beitrag von Olaf S-H »

Moin ttwonder,

AuS ist in VDE 0105-100 definiert. Gem. Abschnitt 6.3.1.2:

Bei Arbeiten unter Spannung berühren Personen bewusst mit Körperteilen, Werkzeugen, Ausrüstungen
oder Vorrichtungen blanke unter Spannung stehende Teile oder dringen in die Gefahrenzone DL
ein.

Nun wird differenziert zwischen Tätigkeiten, die besondere technische und organisatorische Maßnahmen erfordern, und Tätigkeiten, die nur die allgemeinen technischen und organisatorischen Maßnahmen erfordern. Guck mal in Abschnitt 6.3.1.1 rein. Die Norm hast Du ja sicherlich.

Gruß Olaf
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Tobi P.
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Re: Ist Messen eine AuS-Tätigkeit?

Beitrag von Tobi P. »

Moin Jörg,

ich sehe es ähnlich - es kommt drauf an. Eine Spannungsmessung mittels Duspol würde ich nicht unbedingt unter AuS einordnen, das Anbringen von Rogowski-Spulen und Spannungsabgriffen für das Netzanalysegerät an blanken Schienensystemen allerdings schon. Dass man das nicht ohne geeignete PSA macht sollte einem schon der GMV sagen, ansonsten spätestens die Gefährdungsbeurteilung.
Was mich an solchen Themen allerdings immer wundert ist der scheinbar einigermassen negative Touch von AuS-Tätigkeiten, zumindest habe ich schon vielfach erlebt dass es - gerade seitens der Arbeitsschützer - regelrecht verteufelt wird wenn unter Spannung gearbeitet wird. Aber vielleicht hab ich da auch einfach eine andere Sichtweise da AuS bei mir zum Tagesgeschäft gehört.

@Olaf: Na das weiss doch jeder dass man nicht unter Spannung arbeiten darf, das ist eben so! Und Ausnahmen müssen von der Innung, der Handwerkskammer, der Landesregierung, dem Bundespräsidenten und dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika immer erst genehmigt werden richt1 Sagt man mir zumindest immer wenn ich mal wieder eine Abzweigmuffe setzen oder Einspeiseleitungen vom NEA am aktiven Schienensystem auflegen muss :)


Gruß Tobi
ttwonder
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Re: Ist Messen eine AuS-Tätigkeit?

Beitrag von ttwonder »

Danke zunächst für Eure Einschätzungen. Vorrangig soll es tatsächlich um größere Anlagen gehen, meine Stromzangen gehen jedenfalls bis 1.000A.

Bei Weka (Schulungsanbieter) sagte mir man heute, dass der AuS-Lehrgang eher die Leute anspricht, die Instandhaltung u.S. machen, warscheinlich so wie Du, Toby. Auch wenn ich da ein "Exot" sein sollte, es sind zwei Tage und bis jetzt habe ich immernoch was dazugelernt.

Ist bestimmt auch ein Stück Professionalität, wenn der Kunde fragt, ob man das darf, und man antworten kann: Ich darf AuS.

Es ist nur so, dass ich schon viel mit Gutachtern und Sachverständigen zutun hatte. Eine AuS-Befähigung ist da absolut unüblich. Verstehe ich garnicht. Egal, ich habe die Chance, es besser zu machen, dann mach´ ich es auch...

Danke & Gruß
Jörg
cmyk61
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Re: Ist Messen eine AuS-Tätigkeit?

Beitrag von cmyk61 »

Moin Jörg,

bei meiner AuS-Ausbildung blieb mir folgendes Ereignis im Kopf hängen:

Bei der Nachfrage eines Unternehmens, ob eine EFK eine AuS-Ausbildung benötigt, kam es zu folgendem Dialog:

U: "Brauchen meine Mitarbeiter eine AuS-Ausbildung?"
B: "ja, arbeiten die Mitarbeiter denn unter Spannung?"
U: "nein, machen sie nicht"
B: "na prima, zeigen sie mal das verwendete Werkzeug"
U: legt diverses, isoliertes (VDE-)Werkzeug vor, Schraubendreher, Zangen, Steckschlüssel - aber auch Schlosserwerkzeug
B: sortiert das ganze (VDE-)Werkzeug aus und wirft es in eine Kiste "na, dann brauchen sie das ganze isolierte Werkzeug ja nicht mehr, Schlosserwerkzeug ist ja auch billiger"
U: "aber nein, wie kommen sie darauf, das brauchen wir doch, das können wir nicht entbehren."
B: "also arbeiten sie doch unter Spannung?"
U: betretenes Schweigen

Selbst wenn Wiederholungsschulen dann ausbleiben, schärft die AuS-Ausbildung doch die Sinne für die Gefahren und Risiken des Arbeitens unter Spannung. Solch ein Zertifikat schmückt nicht nur die Wand, sondern ist ein nützliches Element sicheren Arbeitens.

Gruß
Ralf
Leben und leben lassen
laut&hell
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Re: Ist Messen eine AuS-Tätigkeit?

Beitrag von laut&hell »

Hallo zusammen,

ich halte es da mehr wie Tobi: Bei aller Normenhörigkeit sollte man sich klar machen, dass Dinge wie EFK und AuS nur "fliegende" Begriffe sind ohne eindeutige Definition - dazu kommt noch die Tatsache, dass es aufgrund der Vielfältigkeit der Tätigkeiten keine Universal-EFk gibt und nicht geben kann.

Ein Veranstaltungstechniker, der sich gelegentlich ein paar Verlängerungsleitungen selbst baut, braucht keine MS-Schaltberechtigung bzw. Kenntnisse der mit Spannungen im kV-Bereich verbundenen Gefahren.

Dafür steht der Unternehmer bzw. die entsprechenden Vorgesetzten in der Auswahlverantwortung zu entscheiden, wer welche Aufgaben übernehmen darf und kann.

Sehr "gefährlich" finde ich daher persönlich insbesondere diese "Lockangebote", die mit solchen Begriffen um sich werfen und unwissende Chefs dazu verleiten, die Mitarbeiter durch Besuch eines 2-tägigen Lehrgangs zu Tätigkeiten zu drängen, die sie sich eigentlich selbst nicht zutrauen.


In deinem Fall würde ich als Unternehmer sagen: Wenn du hier nun in Hauptverteilungen mit entsprechend hohen Nennströmen zu tun hast, die für das Einrichten der Messung nicht abgeschaltet werden können und spannungsführende Teile freigelegt werden, ist der Lehrgang erforderlich. (und für die ersten Messungen am besten auch die Unterstützung und Aufsicht durch einen erfahrenen Kollegen - das ist aber leider eher graue Theorie als Realität).
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