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Abzweig zum Hausanschluß unter Spannung anbringen?

Verfasst: Montag 22. Mai 2017, 14:25
von ThomasR
Der Beitrag in der etem 01.2017 über Unfälle in Niederspannungsanlagen mit Lasttrennern ruft mir folgende Beobachtung ins Gedächtnis:

2015 war ich zufällig beim Netzanschluß unseres Hauses anwesend. Der HAK war komplett installiert und die Zuleitung lag bis zur Hauptleitung im Graben. Dann kam ein Mitarbeiter (des örtlichen Versorgers oder Drittfirma?) und begann in aller Ruhe, im Graben stehend die Hauptleitung zu schälen. Dann separierte er die Einzeladern, legte ca. 5cm der Aluleiter frei und verband diese mit den ebenfalls freigelegten Enden unserer Hauszuleitung. Als im Haus diverse Gerätschaften weiterliefen, wurde mir erst klar, daß er das unter voller Spannung und ohne PSA (außer Gummihandschuhen und isoliertem Werkzeug) durchführte.

Auf meine vorsichtige Frage aus einiger Entfernung, warum er denn nicht freigeschaltet habe kam folgende Antwort: die Firma wolle nicht, daß andere in der Straße sich beschweren, außerdem sei er speziell ausgebildet.

Habe ich in den BG und VDE Unterlagen irgendwas übersehen?

Verfasst: Montag 22. Mai 2017, 15:38
von Max60
ThomasR hat geschrieben: Habe ich in den BG und VDE Unterlagen irgendwas übersehen?
Ggf. das hier?

http://publikationen.dguv.de/dguv/pdf/10002/r-a3.pdf
Im Unternehmen zugelassene Arbeitsverfahren zum Arbeiten unter
Spannung
– Arbeiten an Freileitungen bis 1 kV,
– Arbeiten an Straßenbeleuchtungsanlagen,
– Arbeiten in Kabelnetzen an kunststoffisolierten Kabeln bis 1 kV,
– Austauschen von NH-Sicherungsschaltleisten
– Arbeiten in Niederspannungsanlagen der Sekundärtechnik,
– Arbeiten in Installationsanlagen der Haustechnik bis 1 kV,
– Arbeiten in Niederspannungsverteilungsanlagen bis 1 kV (Energieversorgungsanlagen
bis einschließlich Hausanschlusskasten/Anschließen von Netzersatzanlagen/Prüfanlagen),
– Anschluss von Ersatzstromerzeuger-Anlagen,
– Nachfüllen von Isolieröl in Kabelendverschlüssen der Spannungsebenen
ab 1 kV bis 36 kV,
– Reinigen von Anlagen der Spannungsebenen von 1 kV bis 36 kV.

Verfasst: Montag 22. Mai 2017, 16:36
von Tobi P.
Moin Thomas,

ist in dem Bereich vollkommen normal. Für die Kollegen (und für mich übrigends auch) ist AuS Tagesgeschäft da man vieles im Versorgungsbereich gar nicht anders machen kann. Auch das mit der PSA kann durchaus zulässig sein, Pfisterer hat zb eine Abzweigmuffe im Programm die ohne PSA montiert werden darf.

Gruß Tobi

Verfasst: Dienstag 23. Mai 2017, 08:06
von Olaf S-H
Moin Thomas,

AuS ist beim VNB Tagesgeschäft.

PSAgS muss natürlich auch dort getragen werden. Die Ausführung ergibt sich aus den Kurzschlusswerten des Netzes und auch dem verwendeten Material. Leider wird dies Thema dort nicht immer mit dem erforderlichen Sicherheitsbewußtsein gelebt. Ich hatte letztens einen Workshop mit VNB-VEFKs. Dort gab es einen Mitarbeiter, der die Berechnungen durchführt. Er beklagte allerdings, dass nur sehr wenige Anfragen an ihn gerichtet werden. Das Thema wird nach dem Workshop wohl etwas intensiver betrachtet.

Gruß Olaf

Danke!

Verfasst: Dienstag 23. Mai 2017, 08:50
von ThomasR
Wir machen seit Jahren immer wieder Eiertänze im Unternehmen um die Abschaltung sicher stellen zu können. Offensichtlich will hier niemand die Verantwortung für Arbeiten unter Spannung übernehmen. Für größere Umbauten setzen wir Drittfirmen ein, die ihr eigenes Sicherheitsmanagement mitbringen. Jetzt verstehe ich, warum diese das können (sollten) :)

Verfasst: Dienstag 23. Mai 2017, 14:45
von Strippe-HH
War das nicht immer so gewesen, dass bei vermaschten Netzen die Absicherung in der einen Unterstation erst auf flinke Sicherungen mit weniger Ampere reduziert und dann in der anderen diese ganz zieht?
Das hatte man uns mal so gesagt wenn Muffen unter Spannung angelegt werden

Verfasst: Mittwoch 24. Mai 2017, 21:08
von Wulff
Strippe-HH hat geschrieben:War das nicht immer so gewesen, dass bei vermaschten Netzen die Absicherung in der einen Unterstation erst auf flinke Sicherungen mit weniger Ampere reduziert und dann in der anderen diese ganz zieht?
Das hatte man uns mal so gesagt wenn Muffen unter Spannung angelegt werden

Das meinte Olaf letztlich auch, bloß der Weg ist einmal um die Ecke.

Es werden flinke Sicherungen eingesetzt, um die Kurzschlussleistung des Netzes zu reduzieren und damit die Gefährdung durch einen Lichtbogen herunterzusetzen. Es werden dann je nach Lastfall im Netz aber auch mal beide Beine des Netzes mit flink Besucher.

Ist übrigens nicht nur bei vermaschten Netzen so, geht auch bei Stichleitung. Der Stich muss dann aber eben abgeschaltet werden, was dann eigentlich AuS nicht mehr notwendig macht, es sei denn ich muss z.B. Abschaltzeiten reduzieren

Verfasst: Mittwoch 24. Mai 2017, 22:59
von Olaf S-H
Moin zusammen,

Kurzschlussleistungen im vermaschten Netz sind immer sehr schwierig zu ermitteln. Ich kenne einen VNB, der bei solchen "Aktionen" von Masche auf Stich umschaltet und wie Wulff schon schrieb andere Schutzorgane einsetzt.

Gruß Olaf