Gefahr Rasenmaeher im Badesee

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Funker
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Gefahr Rasenmaeher im Badesee

Beitrag von Funker »

Aus aktuellem Anlass einer Veröffentlichung im EP 10 / 2015 - Leseranfrage
Gefahr im Gewässer möchte ich das eigentlich alte Thema noch einmal
kurz eröffnen, da der Beitrag im EP nach meiner Auffassung z.T. am Thema vorbeigeht und einige Punkte nicht berücksichtigt.

Daher auch meine Beispiel behaftete Änderung der Überschrift, weiterer
Austausch der Gerätenahmen und Typen entsprechen KAN FI Bericht 2003
sind erwünscht.

Ich nehme das Erscheinen des EP 10 / 2015 und die Leseranfrage zu
Gefahr im Gewässer durch elektrisches Betriebsmittel zum Anlaß mich mit
dem Problem auseinanderzusetzen und halte eine ergänzende Darstellung auf Grund des Gefährdungspotentials dringend geboten.

Der von mir insbesondere wegen seinen sehr guten Darstellungen zu Erdungs- und Blitzschutzproblemen sehr geschätzte Kollege E. Hering irrt hier und hat einige wesentliche Punkte nicht betrachtet.

Offensichtlich wegen dem in der Fragestellung enthaltene Beispiel Bootssteg bezieht er sich im Beispiel vorrangig auf Verhältnisse im Marinas oder öffentliche Bereich wie Campingplätze mit entsprechen dem Normenbezug.
Nicht betrachtet ist die Schutzklasse des im Wasser befindlichen Betriebsmittels. Laut Zeichnungen wird nur von Geräten der Schutzklasse 1, mit Schutzleiter ausgegangen.

Grundsätzlich stellt ein im Wasser befindliches elektrisches Betriebsmittel für den Menschen eine elektrische Gefährdung dar.
Das ist insbesondere der Fall wenn dieses nicht wie Tauchpumpen für diese Verwendung im und unter Wasser vorgesehen und nicht wasserdicht ist.
Das wäre z.B. die Bohrmaschine oder der Trennschleifer, die für Arbeiten an einer im Wasser befindlichen Vorrichtung im privaten Bereich oder auch gewerblich benutzt werden und unabsichtlich in selbiges gelangen.

Der Autor gibt an, daß eine RCD 30 mA „vermutlich“ ausschalten wird. Das ist entsprechend vorhandenen Untersuchungen, siehe Gutachten zum Haartrockner bzw. Prof. Baumhöfer http://www.diesteckdose.net/forum/showt ... hp?t=13509)
oder Biegelmaier nur dann der Fall, wenn das Betriebsmittel ein Gerät der Schutzklasse 1 ist und über einen Schutzleiteranschluß verfügt.
Nur dann sind bei Wasserkontakt im Inneren des Gerätes die Übergangswiderstände so klein, daß ein genügend großer Fehlerstrom fließt, der die RCD zum Abschalten bringt.

Bei der Verwendung der häufig vorhandenen Geräte der Schutzklasse 2 mit doppelter oder verstärkter Isolierung ist das nicht der Fall, siehe KAN Brief 2003.

In dem Fall der SK II Geräte kommt der Fehlerstrom nur über weiter leitfähige Medien, z.B. auch über den Menschen zu Stande.

Um beim letzteren eine Gefährdung mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen, siehe auch Beitrag von Prof. Kupfer im gleichen EP 10/2015 Diagramm 1 Loslassstromstärke , ist es daher dringend geboten zur Vermeidung einer dauerhaften gefährlichen Durchströmung mit physiologischen Wirkungen anstelle RCD 30 mA solche mit 10 mA
anzuwenden, wenn mit normalen Betriebsmitteln in der Nähe von Gewässern gearbeitet wird.
Nur dann werden Muskelkontraktionen, die auch zum Ertrinken führen ausgeschlossen.

Insofern sollten diese Erkenntnisse auch in Anforderungen der Normen VDE 0100-708 und VDE 0100-709 als auch
BGI 608 einfließen, wenn ein Zusatzschutz für flexibel betriebene Geräte durch RCD realisiert werden soll oder muß.

Wie der Autor richtig beschreibt, tritt um das im Wasser befindliche und unter Spannung stehende Betriebsmittel ein Strömungspotentialfeld auf. Im angefragten Fall kann dabei von einer Spannung gegen Erde von 230 V bei ungünstigen Verhältnissen um 250 V ausgegangen werden.
Die Frage stellt sich dahingehend bis zu welcher Entfernung die Arbeitsstelle mit elektrischen Geräten im Wasser hinsichtlich Badeverbot gesichert werden muß, um nicht AuS für den Schwimmer anwenden zu müssen.
Die zulässige Berührungsspannung ist in einschlägigen Normen mit 50 V AC festgelegt. Für den Durchschnittsmenschen nehmen wir 2 m Länge an.
Ein Spannungsabfall von 50 V über diese Länge wäre also gerade noch zulässig, siehe auch VDE 0105 -100, Diagramm Berührungsspannung.
Der ungünstigste Fall beim Strömungsfeld für ein Person, die sich in diesem befindet, ist offensichtlich das homogene Strömungsfeld zwischen zwei Platten. Während bei einem Abstand dieser Platten von 2 m die gesamten 250 V über der Person abfallen würden, wird die Berührungsspannung bei einem Abstand größer 10 m unterschritten, da sich die 250 V Netzspannung auf 5 x 2 m d.h. 5 x 50 V aufteilen.
Es können dann noch spürbare Durchströmungen auftreten, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit in Abhängigkeit der Leitfähigkeit des Wassers und der Elektrodengröße kein Herzkammerflimmern mehr.

Bei einer anderen Anordnung als dem Plattenkondensatormodel, ist das Strömungsfeld in der Nähe der kleineren Elektrode wesentlich größer und intensiver als in der Entfernung, entspricht der Anordnung Punktelektrode zu
entfernter Erde. Damit verringert sich die Gefährdung, d.h. die Schrittspannung quadratisch mit der Entfernung.
Unter Berücksichtigung unterschiedlicher Konstitution des Menschen und bei der Anwendung von RCD 10 mA ist es wohl ausreichend bei Arbeiten oder Freizeit unter gegebenen Bedingungen einen Badeverbotsabstand von 20 m
um die Arbeitsstelle auszuweisen.

Die anderen Betrachtungen im Beitrag zum vorgelagerten Trafo und dortigen Fehlern sind zweite Fehler die entsprechend Normenphilosophie nicht betrachtet werden müssen.
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kabelmafia
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Beitrag von kabelmafia »

Moin Funker,

Im NFPA Journal 3/2015 wurde ein ähnlicher Fall behandelt. Ich such es nachher mal raus.
Der Strom kann ruhig bunt sein-ohne Kabel nützt das nix.
Bild: NAKBA 3x95/50sm 0,6/1kV VDE U 0250:1936
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kabelmafia
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Beitrag von kabelmafia »

Moin,

hier ist der Beitrag sogar kostenlos verfügbar (in englisch):
http://www.nfpa.org/ESD
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Funker
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Beitrag von Funker »

kabelmafia hat geschrieben:Moin,

hier ist der Beitrag sogar kostenlos verfügbar (in englisch):
http://www.nfpa.org/ESD
Danke für den interessanten Hinweis.

Dem ist zu entnehmen, daß es auch in den USA bisher keine definierten Vorgaben gibt, wie RCD`s zu testen sind.

Schwimmverbote in Häfen - wird es wohl vor 2021 nicht geben, da die Details bisher nicht genau untersucht sind.

Da wäre doch ein guter Grund meine Vorschläge hier im Forum zu diskutieren und das einmal an das 221 zu posten, damit solche Details
in einer Künftigen VDE 0100 - 709 Eingang finden.
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kabelmafia
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Beitrag von kabelmafia »

Moin,

gerne!

Ich denke auch, dass man hier mit dem Gedanken "Schrittspannung" aus der Erdungsthematik sehr weit kommt.
Der große unbekannte Faktor ist die tatsächliche Leitfähigkeit des Wassers. Je nach Gewässer schätze ich die Leitfähigkeit sehr unterschiedlich ein - von Salzwasser über natürliche Verunreinigungen bis hin zur "Chemiebrühe".

Ich hätte Spaß mal eine entsprechende Versuchsanordnung zu bauen und die tatsächliche Spannungsausbreitung messtechnisch nachzuweisen. Hat jemand eine passende Möglichkeit?
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Bild: NAKBA 3x95/50sm 0,6/1kV VDE U 0250:1936
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jf27el
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Beitrag von jf27el »

In einer homogenen Material lässt sich das durchaus mathematisch nachbilden.

Halbkugelausbreitung oder Röhren.

solange Du kapazitive und induktive Einflüsse vernachlässigen kannst ergibt das durchaus realistische Ergebnisse.
„Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind.“ (I.Kant)
geloescht

Beitrag von geloescht »

Hallo jf27el,
Halbkugelausbreitung
Das Problem ist dass die Erde im Fall von Seen eine Scheibe ist :D.

Beim Ozean könnte das Modell funktionieren.

Gruß

Alois
Funker
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Beitrag von Funker »

kabelmafia hat geschrieben:Moin,

gerne!

Ich denke auch, dass man hier mit dem Gedanken "Schrittspannung" aus der Erdungsthematik sehr weit kommt.
Der große unbekannte Faktor ist die tatsächliche Leitfähigkeit des Wassers. Je nach Gewässer schätze ich die Leitfähigkeit sehr unterschiedlich ein - von Salzwasser über natürliche Verunreinigungen bis hin zur "Chemiebrühe".

Ich hätte Spaß mal eine entsprechende Versuchsanordnung zu bauen und die tatsächliche Spannungsausbreitung messtechnisch nachzuweisen. Hat jemand eine passende Möglichkeit?
Im Prinzip hat das ja Baumhöfer schon gemacht.
Ich habe im Zusammenhang mit Föhn Versuchen in einem Wasserbehälter mit geerdeten Platten
einmal punktuell das Feld = Spannungen aufgenommen.

Im See ist das von der genauen Leitfähigkeit unabhängig.
Bei 10 m Abstand langer Platten oder Leiter ist das Feld dazwischen homogen,
d.h. aller 2 m geht die Spannung um 50 V hoch bis auf 250 V (gerundet zum Kopfrechnen).
Die Leitfähigkeit des Wasser sind unabhängig vom tatsächliche Wert unendlich viele 2 m lange
Widerstände je 5 in Reihe und unendlich parallel.
Daher fallen über dem 2 m Mensch dann die zulässigen 50 V konstant ab.

Bei einer Seite Punktladung (Gerät im Wasser) und Platte (Ufer = Erde oder Seegrund,)
sind die Feldstärken am Gerät höher nahe 230 V - 250 V und in der größeren Entfernung kleiner.
Da kann der Schwimmer näher ran.

Berücksichtigen müßte man dann noch,
- daß der Mensch im Wasser einen geringeren Körperwiderstand
hart, d.h. die Berührungsspannung dann eigentlich verringert werden müßte,
Berührungsspannung ist definiert für kleinflächige Berührung und nicht für
Ganzkörperkontakt
- das es nicht um die Schrittspannung geht - wir sind nicht Jesus auf dem Wasser -,
sondern um eine Körperlängsspannung oder Körperquerspannung liegend / schwimmend
"Toter Mann Lage"
- bei ausgestreckten Armen ca. 250 cm bei Kindern kleiner, damit
abgreifbare Berührungsspannung größer oder bei kleinen Menschen kleiner

Daher würde ich wie oben beschrieben die 20 m als Radius als ausreichend erachten,
wenn gleichzeitig ein 10 mA RCD flexibel eingesetzt zum Einsatz kommt.

Die Frage ist nur ist das jetzt ein Punkt für die VDE 0105 - 100 Arbeiten mit oder an elektrischen
Anlage oder für die VDE 0100 - 709, wegen der Fragestellung an das Normenkomittee.
Willi Blasentang

Beitrag von Willi Blasentang »

Alois hat geschrieben:Hallo jf27el,



Das Problem ist dass die Erde im Fall von Seen eine Scheibe ist :D.

Beim Ozean könnte das Modell funktionieren.

Gruß

Alois

Unter Wasser, auch in Tümpeln, bildet die Spannungsausbreitung eine Halbkugel, so wird diese Modell benannte und berechnet. Im Ozean, je nach Tiefe der Spannungseinstreuung entsteht daraus ggf. ein Kugelmodell, was aber so in der Blitzschutztechnik nicht definiert ist.

Al
Funker
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Beitrag von Funker »

Ich habe heute zu dem Thema Abstand von Strom im Wasser eine interessante Analogie gehört

„Blitzschutz für Bäder und Badebetrieb bei Gewitter“
DGfdB-Richtlinie R 94.06, gemeinsam erarbeitet von DGfdB und VDE|ABB 29.05.2015

Dort ist unter
7.2 Hallenbäder mit Ausschwimmkanal enthalten, daß der Badebetrieb bei Gewitter

in der Halle mit Ausschwimmkanal innen bei Gewitter fortgesetzt werden darf,

wenn vom in die Halle führenden Ende des Ausschwimmkanals in einer Entfernung von mindestens

2 m eine Sperrkette vorhanden ist, die die Benutzung des Außenbeckens und des Kanals bei Gewitter verhindert.

Ansonsten darf auch das Innenbecken nicht benutzt werden.

Hier geht es ja um Schrittspannungen (Schwimmlängsspannungen) im Kilovoltbereich.

Interessant wäre einmal ob die Werte jemand physikalisch untersetzt hat.
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