Unglück im VW-Werk Baunatal: Roboter tötet Arbeiter

Alles rund um die Arbeitssicherheit.
Olaf S-H
Beiträge: 13786
Registriert: Montag 10. Januar 2005, 23:57

Beitrag von Olaf S-H »

omtdr43 hat geschrieben:Ganz kar nein! ...
Moin omtdr43,

so ist es. Dafür gibt es z. B. das Fachausschuss-Informationsblatt 16 der DGUV. Erst Probebetrieb, dann Inbetriebnahme. Dies sind verschiedene Schuhe.

Gruß Olaf
Dies ist keine rechtsverbindliche Auskunft sondern meine Meinung bzw. mein Tipp für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland! Die einschlägigen Normen/Vorschriften (z. B. DIN, VDE, TAB, DGUV, TRBS, BekBS, NAV, EN, LBO, LAR, ArbStättV, BetrSichV, ProdSG, ...) sind zu beachten. Ein Rechtsanspruch kann hieraus nicht abgeleitet werden. Die Nennung von Fundstellen in Regelwerken stellt keine Rechtsberatung sondern nur die Sichtweise des Verfassers dar.
vde1
Für elektrotechnische Laien gilt: Dieser Beitrag erläutert die technischen Zusammenhänge. Die Umsetzung obliegt den konzessionierten Fachbetrieben (§13(2)NAV).

"Wer eine Handlung begeht, der übernimmt auch alle daraus folgende Pflichten." §33 I-3 prALR 1794
C_T

Beitrag von C_T »

Challenger hat geschrieben:Meiner bescheidenen Erfahrung nach ist die eigene innere Ruhe der beste Schutz gegen Unfälle. ... Hektik und die chaotische Kommunikation mit anderen Gewerken/Fremdfirmen, sowie der eigene Ehrgeiz ...haben mich unvorsichtig werden lassen...was dazu führte, dass der Rettungswagen mich mitgenommen hat und ich 2 Monate meine Hände nicht gebrauchen konnte. Dabei habe ich Glück gehabt, ...
Andreas
Hallo Andreas,

Dein Beitrag sagt eigentlich alles aus und führt die Hauptursachen auf, die zu Unfällen führen.

Ich habe mir gestern auf der Baustelle in völlig besonnener Ruhe erlaubt, eine irgendwem gehörende Lampe ohne vorgeschriebene Schutzabdeckungen durch Steckerabschneiden der weiteren Benutzung vor einer Reparatur zu entziehen.

Sollte sich darüber jemand beschweren, hole ich den Sicherheitsbeauftragten und den Werkschutz dazu. Ist immerhin ein EX-Betrieb, in dem ich arbeite, und ich habe keine Lust, durch anderer Leute Nachlässigkeiten einen unter Umständen tödlichen Arbeitsunfall zu erleiden.

Warum auf der Baustelle eklatant gegen Sicherheitsvorschriften verstoßen wird und sogar NYM-Leitung auf Stecker geklemmt wird, in erweiterten Anlagen die vorgeschriebenen RCD fehlen, in jeder Ecke brennbares oder scharfkantiges Baumaterial lagert und weshalb der Werkseigene SiFa-Mensch sowas nicht sieht und beanstandet, ist mir ein Rätsel, zumal ich mir am vergangenen Montag noch eine Unterweisung reinziehen musste, in der genau diese Beispiele als auf dem Werk verboten angeführt wurden.

Vielleicht sehe ich das auch nur zu eng und in osteuropäischen EX-Betrieben ist das alles was mir an Mängeln auffiel, erlaubt, so dass die nicht deutsch sprechenden Fremdfirmenmitarbeiter (die Verursacher der Mängel) das alles als normal betrachten?
karo1170
Null-Leiter
Beiträge: 458
Registriert: Montag 31. März 2014, 11:26
Wohnort: Sachsen/Erzgebirge

Beitrag von karo1170 »

Olaf S-H hat geschrieben:Moin omtdr43,

so ist es. Dafür gibt es z. B. das Fachausschuss-Informationsblatt 16 der DGUV. Erst Probebetrieb, dann Inbetriebnahme. Dies sind verschiedene Schuhe.

Gruß Olaf
Schuhe, ja, gutes Stichwort... genau umgedreht wird ein Schuh draus.
Erst erfolgt die Inbetriebnahme der Anlagenbestandteile und der Gesamtanlage, dann der mehr oder weniger ausfuehrliche Probebetrieb (falls dafuer noch Zeit bleibt), dann die Produktionsaufnahme.
Olaf S-H
Beiträge: 13786
Registriert: Montag 10. Januar 2005, 23:57

Beitrag von Olaf S-H »

Moin Karo,
DGUV Fachausschuss-Informationsblatt 16, Ausgabe 01/2011 hat geschrieben: ...
Der Probebetrieb von Maschinen und Anlagen dient der Überprüfung von Funktionen und Eigenschaften sowie der Erkennung und Beseitigung von Fehlern. Der Probebetrieb entspricht der Endprüfungsphase einer Maschine oder Anlage und liegt daher, auch in den Betriebsräumen des Betreibers, in der Verantwortung des Herstellers.
...
Der Probebetrieb liegt als Teil des Herstellungsprozesses noch vor dem Zeitpunkt des Inverkehrbringens. Daher können die erforderlichen Einstellungen vorgenommen werden, ohne dass die Maschine konform zur europäischen Maschinenrichtlinie [2] sein muss. Aber es müssen dann andere Schutzmaßnahmen getroffen werden.
Der Probebetrieb ist nicht mit der Inbetriebnahme durch den Betreiber zu verwechseln:
Unter Inbetriebnahme ist die erstmalige Verwendung einer Maschine bzw. eines Produktes durch ihren Endbenutzer im Gebiet des Europäischen Wirtschaftsraumes zu verstehen.
...
also erst Probebetrieb und dann Inbetriebnahme.

Gruß Olaf
Dies ist keine rechtsverbindliche Auskunft sondern meine Meinung bzw. mein Tipp für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland! Die einschlägigen Normen/Vorschriften (z. B. DIN, VDE, TAB, DGUV, TRBS, BekBS, NAV, EN, LBO, LAR, ArbStättV, BetrSichV, ProdSG, ...) sind zu beachten. Ein Rechtsanspruch kann hieraus nicht abgeleitet werden. Die Nennung von Fundstellen in Regelwerken stellt keine Rechtsberatung sondern nur die Sichtweise des Verfassers dar.
vde1
Für elektrotechnische Laien gilt: Dieser Beitrag erläutert die technischen Zusammenhänge. Die Umsetzung obliegt den konzessionierten Fachbetrieben (§13(2)NAV).

"Wer eine Handlung begeht, der übernimmt auch alle daraus folgende Pflichten." §33 I-3 prALR 1794
Benutzeravatar
Tobi P.
Beiträge: 1906
Registriert: Sonntag 18. November 2007, 13:46
Wohnort: 41516 Grevenbroich

Beitrag von Tobi P. »

Moin Olaf,

aaah - sprachliches Missverständnis! Das Fussvolk - also die Monteure auf der Baustelle - verstehen unter der Inbetriebnahme einer Maschine/Anlage das was du unter Probebetrieb verstehst, also quasi das erstmalige "zum Leben erwecken" und "betriebsfertig machen" der wasauchimmer-Maschine/Anlage bevor sie an den Kunden übergeben wird.



Gruß Tobi
Gründer und 1. Vorsitzender des "Vereins der Freunde des 175kVA Bosch"
karo1170
Null-Leiter
Beiträge: 458
Registriert: Montag 31. März 2014, 11:26
Wohnort: Sachsen/Erzgebirge

Beitrag von karo1170 »

Olaf S-H hat geschrieben:Moin Karo,

also erst Probebetrieb und dann Inbetriebnahme.

Gruß Olaf
Mal davon abgesehen, das sich die DGUV sehr weit aus dem Fenster lehnt, was "Endbenutzer im Gebiet des Europäischen Wirtschaftsraumes" gefaelligst unter Inbetriebnahme zu verstehen haben, laesst die Formulierung:

"Der Probebetrieb ist nicht mit der Inbetriebnahme durch den Betreiber zu verwechseln:
Unter Inbetriebnahme ist die erstmalige Verwendung einer Maschine bzw. eines Produktes durch ihren Endbenutzer im Gebiet des Europäischen Wirtschaftsraumes zu verstehen"

den Schluss zu, das die "Inbetriebnahme durch den Hersteller" der Anlage nach DGUV-Definition vor dem Probebetrieb stattfinden kann, oder?
Olaf S-H
Beiträge: 13786
Registriert: Montag 10. Januar 2005, 23:57

Beitrag von Olaf S-H »

Moin karo,

die Reihenfolge ist
  1. Probebetrieb durch den Hersteller
  2. Inbetriebnahme durch den "Nutzer"
Probebetrieb
[quote="MRL 2006-42-EG, Artikel 5 Absatz 1 Aufzählungspunkt a"]
(1) Der Hersteller oder sein Bevollmächtigter muss vor dem Inverkehrbringen und/oder der Inbetriebnahme einer Maschine
a) sicherstellen, dass die Maschine die in Anhang I aufgeführten, für sie geltenden grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen erfüllt]

Inbetriebnahme
[quote="MRL 2006-42-EG, Artikel 2 Aufzählungspunkt k"]
„Inbetriebnahme“ die erstmalige bestimmungsgemäße Verwendung einer von dieser Richtlinie erfassten Maschine in der Gemeinschaft]

Da hat sich nicht die DGUV aus dem Fenster gelehnt. Die DGUV hat nur wiedergegeben, was dem europäischen Perlament und dem Rat in ihrem unermesslichen Ratschluss gefallen hat uns Gutes zu tun. :D

Ansonsten bin ich bei Tobis Betrachtungsweise. "Deine" Definition weicht von denen der Regelwerke ab und scheint wohl ursächlich für das "Verständigungsproblem" zu sein. Insofern ist doch eigentlich alles Gut. Wir meinen doch den gleichen Ablauf.

Gruß Olaf
Dies ist keine rechtsverbindliche Auskunft sondern meine Meinung bzw. mein Tipp für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland! Die einschlägigen Normen/Vorschriften (z. B. DIN, VDE, TAB, DGUV, TRBS, BekBS, NAV, EN, LBO, LAR, ArbStättV, BetrSichV, ProdSG, ...) sind zu beachten. Ein Rechtsanspruch kann hieraus nicht abgeleitet werden. Die Nennung von Fundstellen in Regelwerken stellt keine Rechtsberatung sondern nur die Sichtweise des Verfassers dar.
vde1
Für elektrotechnische Laien gilt: Dieser Beitrag erläutert die technischen Zusammenhänge. Die Umsetzung obliegt den konzessionierten Fachbetrieben (§13(2)NAV).

"Wer eine Handlung begeht, der übernimmt auch alle daraus folgende Pflichten." §33 I-3 prALR 1794
karo1170
Null-Leiter
Beiträge: 458
Registriert: Montag 31. März 2014, 11:26
Wohnort: Sachsen/Erzgebirge

Beitrag von karo1170 »

Olaf S-H hat geschrieben:Moin karo,

die Reihenfolge ist
  1. Probebetrieb durch den Hersteller
  2. Inbetriebnahme durch den "Nutzer"
Und wie nennt man die Phase vor dem Probebetrieb? Also Spannungszuschalten, Steuerungen konfigurieren, Anlagenbestandteile verknuepfen, Software installieren? Ich kenne das als Vor-Inbetriebnahme (im Werk des Herstellers) und Montage/Inbetriebnahme (vor Ort beim Kunden).
Olaf S-H hat geschrieben: Da hat sich nicht die DGUV aus dem Fenster gelehnt. Die DGUV hat nur wiedergegeben, was dem europäischen Perlament und dem Rat in ihrem unermesslichen Ratschluss gefallen hat uns Gutes zu tun. :D

Ansonsten bin ich bei Tobis Betrachtungsweise. "Deine" Definition weicht von denen der Regelwerke ab und scheint wohl ursächlich für das "Verständigungsproblem" zu sein. Insofern ist doch eigentlich alles Gut. Wir meinen doch den gleichen Ablauf.
Meine Definition basiert auf fundierten Kenntnissen der deutschen und zweier weiterer Sprachen...und 10+ Jahre als "IBN-Ingenieur".
(Im angelsaechsichen verwendet man die Begriffe "commissioning" und "going live / going into production" dafuer, das ist eindeutig, Aber die haben halt keine DGUV...)
kaiand1
Null-Leiter
Beiträge: 67
Registriert: Donnerstag 13. August 2015, 13:12

Beitrag von kaiand1 »

Nun es ist aber nicht Bekannt wie es genau dazu kommen konnte.
Ich hatte mal eine Einführung mit solchen Robotern und ich nehme mal an er hat den Ablauf auf Automatik geschaltet und ein Sensor Ausgelöst wodurch der Roboter sein Ablauf gemacht hat und ihn erwischt hat.
Die Robotoer sind so in einen "Metallkäfig" wo du nicht "reinkommst" bzw "Greifen" kannst.
Es gibt Wartungstüren jedoch wenn du diese Öffnest steht sofort der Roboter still sowie die Maschine davor/danach wird auch auf Stop gesetzt das dort nicht mehr geht.
Das Bedienteil vom Roboter womit du diesen auch Steuern kannst hat 4 Funktionen
Automatischer Ablauf
Jeden Schritt einzelnd Bestätigen
Langsamer Ablauf Steuerung
Programierung

Für jede Bewebung am Roboter (Ausgenommen Auto Modus) muss eine Sicherheitstaste gedrückt werden damit dieser auch was macht.
Und abgesehen vom Auto Modus kannst du auch Sicherheitseinrichtung "Brücken" für die Fehlersuche wenn man sich damit auskennt.
Dazu gibt es für die Servos auch Überlastsensoren wenn dieser zb mal gegen die Wand schlägt weil die Kette nachgestellt werden muss, jedoch erst ab x KG wird dies erkannt und so kommen auch schonmal öfters schöne Dellen in die Maschienen ohne Überlast auszulösen...

Dazu könnte es auch sein das er den Ablauf durch hatte und den Roboter in seine Grundposition gefahren hat (Schnellmodus) und er unglücklich stand und nicht wusste wo die gerade ist und er dadurch erfasst wurde.

Aber ich würde eher Tippen das der auf Auto Modus stand und dort Teile immer eingelegt wurden um zu schauen/nachzustellen das er die Richtig Greift sowie Ablegt und beim erneuten Umsetzten von Hand der Teile hat er eine Lichtschranke ausgelößt und der Roboter machte seine Arbeit...

Aber leider gabs dazu keine genaueren Angaben wie es dazu kommen konnte.
IH-Elektriker
Null-Leiter
Beiträge: 1840
Registriert: Mittwoch 9. Januar 2013, 11:18

Beitrag von IH-Elektriker »

kaiand1 hat geschrieben: Die Robotoer sind so in einen "Metallkäfig" wo du nicht "reinkommst" bzw "Greifen" kannst.
Es gibt Wartungstüren jedoch wenn du diese Öffnest steht sofort der Roboter still sowie die Maschine davor/danach wird auch auf Stop gesetzt das dort nicht mehr geht.
Das Bedienteil vom Roboter womit du diesen auch Steuern kannst hat 4 Funktionen
Diese ganzen Sicherheitsvorrichtungen sind übrigens in der C-Norm EN10218-1 (früher EN775) niedergeschrieben.

Diese Norm ist recht ausführlich, wenn die Anlage vorschriftsmäßig ausgelegt war (wovon man bei VW als Auftraggeber ausgehen kann) so war entweder menschliches Fehlverhalten bzw. menschliches Versagen der Grund für den Unfall.

Der verunfallte MA hat vermutlich irgendwas "falsch" gemacht wie sich beispielsweise im Roboterkäfig aufzuhalten obwohl der Robbi in voller Automatik läuft o.ä. - oder es waren Sicherheitselemente im Rahmen der Inbetriebnahme gebrückt oder (noch) nicht angebaut - beispielsweise werden gerne Schutzzäune bzw. einzelne Schutzzaunelemente erst später eingebaut oder Türschalter sind mit Blindsteckern überbrückt usw. um die Inbetriebnahme zu erleichtern.

Fakt ist das auch noch so umfangreiche Schutzmaßnahmen bzw. Normen und Vorschriften nicht jeden Unfall verhindern können, auch wenn sie exakt umgesetzt werden. Der "Faktor Mensch" ist nur zu einem geringen Teil beherrschbar, manchmal passieren (Beinahe-)Unfälle einfach und sind nicht abwendbar.
Antworten