Test: Kann ein Normprüfgerät einen Varistor beschädigen?

Probator
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Test: Kann ein Normprüfgerät einen Varistor beschädigen?

Beitrag von Probator »

An mich wurde die Frage herangetragen, ob ein 0701/0702-Normprüfgerät einen in Geräten verbauten Varistor beschädigen könne.

Nachdem diese Prüfgeräte aus Personenschutzgründen nicht mehr als ca. 1 mA Strom ausgeben dürfen, war meine erste Reaktion: Nein, keinesfalls. Dazu reicht die Energie nicht aus.

Ganz so leichtfertig wollte ich es aber doch nicht abtun, also habe ich aus der Bauteilekiste recht beliebig 3 Varistoren (VDR = Voltage Dependent Resistor) ausgegraben und sie an solche Prüfgeräte angeschlossen.

Zuerst habe ich einen Profitest verwendet, der die Spannung von Null an langsam hochfahren kann und stoppt, sobald ein Durchbruch passiert. Die entsprechende Durchbruchspannung habe ich notiert.

Danach habe ich die Varistoren mit verschiedenen Gleichspannungen beaufschlagt und die vom Messgerät gegebenen Werte in MegaOhm notiert. Dazu habe ich den SecuTest Pro verwendet und den Varistor zwischen seine beiden Eingänge geklemmt, so konnte ich mir das Adapter basteln sparen.
Ein kleiner Hinweis: diese Werte sind physikalisch gesehen wegen der Begrenzung auf 1mA nicht korrekt, aber sie spiegeln das wieder, was wir in der Praxis an unseren Messgeräten sehen. Achsenskalierung LOG! Echter Wert mehrere GOhm, der Übersicht halber auf 500MOhm limitiert.

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Anschließend habe ich jeden Varistor für 5 Minuten an der vollen Prüfspannung gelassen.
Eine Prüfung ortsveränderlicher Geräte dauert hingegen nur einige Sekunden. Ich denke, das schlimmste Szenario ist damit abgedeckt. Deutliche Erwärmung war nicht feststellbar, Leistung rechnerisch um die 0,75 Watt, Umgebungstemperatur 26°C.
Bild
Dann habe ich nochmal den Profitest auf 1000V gestellt und den Varistor mehrfach befeuert.

Um zu sehen, ob er einen Schaden davongetragen hat, habe ich danach wieder die Durchbruchspannung gemessen. Keiner zeigte eine nennenswerte Veränderung:
Bild

Ausserdem nochmalige Messung mit 340 Volt Prüfspannung, was etwa der Spitzenspannung im 230V-Netz entspricht:
Bild
Sämtliche Varistoren waren danach wieder hochohmig (mehrere 100 MegaOhm).

Fazit:
Mit solchen Prüfgeräten lassen sich Varistoren vermutlich nicht zerstören.
Die Prüfung kann locker mit 300 bis 400 Volt stattfinden, bis dahin "versaut" ein Varistor nicht unsere Isomessung.


Natürlich gibt es andere Isolationsmessgeräte mit mehr Spannung und mehr Stromlieferfähigkeit, aber das war nicht die Frage.
Achtung! Über andere elektronische Bauteile in den Geräten macht dieser Test keinerlei Aussage!
Desweiteren will dieser kurze Test nicht den Anspruch erheben, die absolute Wahrheit und wissenschaftliche Korrektheit darzustellen.
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kabelmafia
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Beitrag von kabelmafia »

Moin,

wow, sehr schön.
Ich ergänze mal - das übliche Prüfgerät für die DIN VDE 0701-0702-Prüfung macht nicht mehr als 1,5 bis 3 mA Kurzschlussstrom bei 500 VDC, normativ zulässig sind bis zu 12 mA bis 1000 V + 20 %. Das Prüfgerät darf 1 mA im Kurzschlussfall nicht unterschreiten.
Sehr schöne Sache, ich überlege gerade wie man das noch weiter publizieren kann. Das Thema "kaputtprüfen mit Isomessung" ist zur Zeit ganz gut in Bewegung.
Der Strom kann ruhig bunt sein-ohne Kabel nützt das nix.
Bild: NAKBA 3x95/50sm 0,6/1kV VDE U 0250:1936
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SPS
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Beitrag von SPS »

Hallo zusammen,
ja das Thema ist auch für mich Aktuell.
Schön wenn du Kabelmafia das genauer Aufgreifen würdest.
Mich Interessiert vor allen die Anlagen Prüfung.
Was macht ein elektronischer Durchlauferhitzer.
Was die Heizungsanlage (Elektronik abklemmen und auch die Pumpen ... extra messen)

Für mich sind viele der Geräte eine "Blackbox". Ich kann nicht wissen was der Hersteller eingebaut hat.
Mit freundlichem Gruß sps
Etrick
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Beitrag von Etrick »

Mit der Messung werden je nach Typ (die gängigen 0.25W z.B.) die Herstellerspecs. überschritten. Kurzzeitig ist das ok, die Dinger sind ja dafür da, Spitzen im µs Bereich abzufangen.
Der 500V Test kann also gut gehen, oder auch nicht.
Allerdings haben Varistoren ein Gedächnis: bei mehrfacher leichter Überlast sterben sie nach einiger Zeit. Wenn der Prüfer Glück hat erst in zeitlichem Abstand, wenn er Pech hat direkt danach und dann hat er Spaß mit dem Auftraggeber.

Ein typischer 275V MOV nimmt auf jeden Fall mehr Leistung auf als 0.25W und Isomessungen sollen ja 1 Minute dauern, damit sie aussagekräftig sind.
Mit 250V DC sprechen sie nicht an und verfälschen auch nicht die Messung. Nur: was nutzt eine Iso Messung unterhalb des Spitzenwertes der Nennspannung (Wurzel 2 x 230V)?

Hersteller, die vor Prüfungen mit 500V warnen, machen das aus einem bestimmten Grund: sie wollen nicht in der Gewährleistung sein, wenn ein Gerät stirbt. Und Varistoren L -> PE sind schon längere Zeit verboten, eben weil sie gerne schleichend kaputt gehen und darum auch eine (bei teuren Versionen vorhandene) eingebaute Sicherung gegen steigenden Strom im PE nicht hilft.

Gruß

Achim
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cyclist
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Beitrag von cyclist »

Hallo SPS!
Was macht ein elektronischer Durchlauferhitzer.
Wie führst du denn an einem elektronischen Durchlauferhitzer - im Rahmen einer Anlagenprüfung (0105-100 bzw. 0100-600) eine Messung des Isolationswiderstands durch?
Unterscheiden muss man ja sicherlich zwischen hydraulischen (keine Elektronik vorh.), halb- und vollelektronischen DLH.

Neutralleiter ist ja idR nicht vorhanden, also erübrigt sich hier auch ein auftrennen/abklemmen.

Bei der Messung ohne laufendes Warmwasser (Zuleitung freigeschaltet) misst du ja nur die Zuleitung bis zum Wasserschalter.
Bei geöffnetem Warmwasserzapfhahn kann man auch bis in die Wicklungen messen.
Bei den allermeisten aktuellen DLH-Modellen handelt es sich um welche mit Blankdrahttechnologie. Da liegt systembedingt der Riso meist bei max. 1,5 Megaohm (500V Prüfspannung).
Schäden hatte ich bislang noch nie bei DLHs.

Ich messe daher immer 2x, einmal nur die Zuleitung (Warmwasserzapfhahn geschlossen) und einmal mit geöffnetem Warmwasserzapfhahn.

Nur bei Geräten, die "richtige" Elektronik enthalten, z.B. Schaltnetzteile für 24V DC Steuerspannung oder FUs, verzichte ich auf Isomessungen.
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Ciao + Gruss
Markus
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SPS
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Beitrag von SPS »

Danke Markus, dann kann beim Durchlauferhitzer nichts passieren dank1
Mit freundlichem Gruß sps
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cyclist
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Beitrag von cyclist »

Hallo SPS!
Und wie machst du nun die Iso-Messung an einem DLH?
Vorsichtshalber: Dieser Beitrag stellt keine, in diesem Forum nicht zulässige, Rechtsberatung dar.
Ciao + Gruss
Markus
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SPS
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Beitrag von SPS »

Hallo cyclist, so wie von dir Vorgeschlagen.
Habe bei Siemens angefragt ob mit 500 V gemessen werden darf.
Mir fallen immer mehr unklare Punkte auf wie Klingel und Sprechanlagen?

Im Gossen Merkbuch steht
Spannungen bei SELV / PELV 250 V ≥ 0,5 MOhm
Mit freundlichem Gruß sps
Probator
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Beitrag von Probator »

Etrick hat geschrieben:Allerdings haben Varistoren ein Gedächnis: bei mehrfacher leichter Überlast sterben sie nach einiger Zeit. Wenn der Prüfer Glück hat erst in zeitlichem Abstand, wenn er Pech hat direkt danach und dann hat er Spaß mit dem Auftraggeber.
Sind da die paar Sekunden alle paar Jahre wirklich relevant? Sind bei Schalthandlungen nicht weitaus mehr Peaks bei Nutzung am normalen Netz zu finden?
Ein typischer 275V MOV nimmt auf jeden Fall mehr Leistung auf als 0.25W und Isomessungen sollen ja 1 Minute dauern, damit sie aussagekräftig sind.
Schon wirklich mal jemanden gesehen, der die Isospannung bei ortsveränderlichen Geräten (nicht 60204 o.ä.) so lange angelegt hat? ]Nur: was nutzt eine Iso Messung unterhalb des Spitzenwertes der Nennspannung (Wurzel 2 x 230V)?[/QUOTE]
Bestimmte, schleichende Defekte findet man schon, aber die Aussage ist begrenzt.
Hersteller, die vor Prüfungen mit 500V warnen, machen das aus einem bestimmten Grund: sie wollen nicht in der Gewährleistung sein, wenn ein Gerät stirbt.
Ganz klar. Lieber zu viel gewarnt, als einmal bezahlt.
Und Varistoren L -> PE sind schon längere Zeit verboten, ...
Die Praxis zeigt das. Wo finde ich es schwarz auf weiß?

Das ist vermutlich ein ganz wichtiger Hinweis für Prüf-Anfänger:
Der Varistor liegt üblicherweise zwischen L und N. Dort wird von den Prüfgeräten aber überhaupt keine Spannung angelegt, sondern gemessen wird gegen PE. Und wo kein Varistor in der Schaltung sitzt, kann es kein Problem geben.
ThomasR
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Beitrag von ThomasR »

Respekt, klasse gemacht, danke!

Mir drängt sich da die Frage nach einem möglichen Schaden bei Y-Kondensatoren auf. Sollten diese VOR einem Netzschalter verbaut sein oder dauernd am Netz liegen und nur eine niedrige Y-Klasse besitzen, kann das doch bei Isomessungen zu einem Durchschlag führen?
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