PC, ATX-Netzteil, VDE 0701-0702, EN60950 und Isolationsmessung

ohoyer
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PC, ATX-Netzteil, VDE 0701-0702, EN60950 und Isolationsmessung

Beitrag von ohoyer »

Bin gerade dabei, mal wieder ins leidige Thema Geräteprüfungen einzutauchen- auch unter dem Aspekt, dass ich gerade bei meinem neuen Arbeitgeber die PCs selbst zusammenstelle und -schraube, da einige manchmal doch etwas speziellere Konfigurationen nicht im normalen Kistenschieber-Rechner drin sind- oder zu deutlich überteuerten Konditionen...

Wenn ich mir hier so die Angst anschaue, bei Geräten der Informationstechnik eine Iso-Messung durchzuführen, weils kaputtgehen kann, und/oder folgend auf den Absatz verwiesen wird, der in der 0701-0702 das Auslassen der ISOprüfung erlaubt, und anschliessend eine Differenzstrommessung ausgelassen wird, weil das Prüfgerät das nicht kann, dann ist die Frage, welche Aussagekraft denn die übrigbleibenden Schritte haben...

Auf eine Anfrage bzgl. Ableitströme etc. bei einem Markenhersteller kam nach etwas Schriftwechsel sinngemäss folgendes heraus:
Die Netzteile sind konform zu EN 60950, man erwartet, dass diese somit bestimmten Anforderungen genügen. Mit dem deutschen Verständnis, wie nach VDE eine Wiederholungsprüfung angegangen wird, konnte man da so aus dem Stegreif wenig anfangen...

Interessant waren dann doch einige Bestimmungen der EN 60950 -1 (VDE 0805-1):2011-01, die ich dann mal in der Hand hatte- Sinngemäss wird hier eine Isolationsfestigkeit von 1500V und Ableitströme von 0,25mA für nicht mit dem Schutzleiter verbundene Teile und max 3,5 mA für mit dem Schutzleiter verbundene Teile gefordert...

(EN 60950 5.2.2 Table 5B und EN 60950 5.1.6)

Frage, die sich mal so aus der Praxis ergeben:
- Hat schon mal jemand durch die 500V DC Prüfspannung ein aktuelles PC (ATX)-Netzteil kaputtbekommen, was vorher noch einwandfrei lief?


Überlegungen zum Prüfablauf und Wichtigkeit der Ableitströme:
- Sichtprüfung und Schutzleiterdurchgängigkeit wird keiner bestreiten, auch sollten 200 mA ausreichen...
- ISO-Messung: Bei ausgeschaltetem PC alleine nicht aussagekräftig, da man hier nur den Weg zwischen Anschlussbuchse des Netzteils und dem internen Schaltelement misst, der erst später durchs "Power-Good" Signal vom Mainboard letztendlich freigegeben wird- incl. dem Y-Kondensator (der auch für diese Spannung ausgelegt sein muss)
- Bei Verbundmessung (Also PC und Kaltgerätekabel) in einem Stück gibts aber dann keine Ausrede mehr, keine ISO-Prüfung vorzunehmen, weil man die ja so bequem "normkonform" unterlassen kann/darf, man kann dann zumindest bei der ISO-Messung den Zustand des Kabels beurteilen
- Ersatzableitstrommessung ist nicht normkonform, da das Gerät ja Schaltelemente hat
- Eine Differenzstrommessung oder direkte Schutzleitermessung (z.B. per Leckstromzange) ist zunehmend wichtig, um den Zustand der EMV-Beschaltung (Y-Kondensator sowie anderer Ableitströme verursachender Komponenten) beurteilen zu können
- Sichtprüfung auf Alterung ist hier allerdings wahrscheinlich im Zusammenspiel dessen die wichtigste Prüfung, da gerade Hitzeeinwirkung deutlichen Einfluss auf die Lebensdauer eines (PC)-Netzteils hat
„Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.“

Friedrich Nietzsche (Werk: Jenseits von Gut und Böse, Aph. 146)
E_F

Beitrag von E_F »

Ich habe immer eine Isomessung bei EDV gemacht und noch NIE etwas geschlachtet (Über 10 000 Geräte insgesamt in 3 Jahren).
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kabelmafia
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Beitrag von kabelmafia »

Moin,

bei neuen Netzteilen ist die Isolationsmessung kein Problem - die Y-Kondensatoren müssen 675 V über 30 s verkraften und 1,5 kV für 1 s. Dabei darf keiner aus einer Charge von 100 Stück kaputt gehen.
Das Problem fängt an, wenn die Kondensatoren älter werden. Dann nimmt ja auch die Spannungsfestigkeit ab...

Die EN 60950 ist ja nun auch eine Produktnorm die auf viel mehr angewendet wird als nur auf schnöde PC-Netzteile. Entsprechend umständlich ist sie geschrieben. Alleine das Verständnis, was die mit einer Berührungsstrommessung meinen ( im Gegensatz zur allseits bekannten VDE 0701-0702) hat mir früher gefehlt. Es ist einfach nur ein ganz anderer Blickwinkel der dort angesetzt wird. Im Grunde tun die auch nichts anderes als das uns bekannte...
Der Strom kann ruhig bunt sein-ohne Kabel nützt das nix.
Bild: NAKBA 3x95/50sm 0,6/1kV VDE U 0250:1936
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Etrick
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Beitrag von Etrick »

Das Problem sind VDRs im Netzteil. Sichert ein Hersteller damit wirksam ab, nimmt er solche, die bei einer ISO Messung geschädigt werden!

VDRs halten eine gewisse Anzahl von "Attacken" aus, mit Pech ist die Messung oder der erste Überspannungspuls kurz danach ihr Tod und der Prüfer hat (mM zu recht) ein Erklärungsproblem...

Gruß

Achim

(die 0.25mA Berührstrom halte ich bei SKII Geräten für vernünftig. Warum auf 0.5 in D noch herum geritten wird, verstehe ich nicht wirklich).
Teletrabi
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Beitrag von Teletrabi »

Moin,

zur Sicherheit/Rechtfertigbarkeit würd ich dazu neigen, auf 250V runterzugehen. Das muss dann aber wirklich ohne Probleme ausgehalten werden.
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50Hertz
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Vernunft an geraden Zahlen?

Beitrag von 50Hertz »

Etrick hat geschrieben: (die 0.25mA Berührstrom halte ich bei SKII Geräten für vernünftig. ..).
Warum sollen 0,25 mA vernünftig sein?
Ich sag mal 0,534 mA scheinen mir "vernünftig".

Solange ich keine stichhaltigen Argumente höre, scheint mir das ein Blick in die Glaskugel.
Der Gefährdungsbereich für Menschen beginnt doch oberhalb von 30 mA?

Alle diese Grenzwerte sind doch nicht technisch oder biologisch bestimmt. Grenzwerte werden in Kommissionen ausgehandelt. Es sind politische Werte.

Grüße
50Hertz
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Beitrag von breadley-dr »

Hallo,
ohoyer hat geschrieben: Interessant waren dann doch einige Bestimmungen der EN 60950 -1 (VDE 0805-1):2011-01, die ich dann mal in der Hand hatte- Sinngemäss wird hier eine Isolationsfestigkeit von 1500V und Ableitströme von 0,25mA für nicht mit dem Schutzleiter verbundene Teile und max 3,5 mA für mit dem Schutzleiter verbundene Teile gefordert...
(EN 60950 5.2.2 Table 5B und EN 60950 5.1.6)
wenn ich das richtig verstehe schraubst du die Netzteile in das PC Gehäuse. Dann wirst du Hersteller und musst z.B. den Schutzleiterwiderstand mit 25 A messen, weil du ja die Schutzleiterverbindung vom Netzteil zum Gehäuse herstellst. Die Messung der Isolationsfestigkeit ist nicht mit der Isolationswiderstandsmessung gleich zu setzten, du findest mit Sicherheit in der EN 60950 keine Grenzwerte in MOhm.

bis denne
Etrick
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Beitrag von Etrick »

Warum 0.25mA? Weil es nicht nur darum geht "Tod" zu vermeiden.

Ich habe hier ein Netzteil SKII liegen, das 0.5mA Berührstrom hat. Kommt man mit dem Handrücken ans (Metall)Gehäuse, kribbelt es äußerst unangenehm.

Und da 0mA sich nicht realisieren lassen, nimmt man einen niedrigen Wert, der mit vertretbarem Aufwand realisierbar ist. 0.25mA sind es und tauchen in vielen Normen jetzt schon auf.

Warum nicht in allen?

Gruß
aleknuk
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Beitrag von aleknuk »

E_F hat geschrieben:Ich habe immer eine Isomessung bei EDV gemacht und noch NIE etwas geschlachtet (Über 10 000 Geräte insgesamt in 3 Jahren).
Hab zwar erst ein zehntel von dem geprüft was du geschafft hast, aber bisher hab ich auch keine Leichen produziertdd1
aleknuk
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Beitrag von aleknuk »

Etrick hat geschrieben:Das Problem sind VDRs im Netzteil. Sichert ein Hersteller damit wirksam ab, nimmt er solche, die bei einer ISO Messung geschädigt werden!

VDRs halten eine gewisse Anzahl von "Attacken" aus, mit Pech ist die Messung oder der erste Überspannungspuls kurz danach ihr Tod und der Prüfer hat (mM zu recht) ein Erklärungsproblem...

Gruß

Achim

(die 0.25mA Berührstrom halte ich bei SKII Geräten für vernünftig. Warum auf 0.5 in D noch herum geritten wird, verstehe ich nicht wirklich).
Hast du das schon mal erlebt?
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