"Produktnorm"

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Mackie Messer
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"Produktnorm"

Beitrag von Mackie Messer »

So, Ich werde demnächst dann wohl auch Maschinen prüfen sollen... Kurs ist zugesagt... toi, toi, toi.
Ich lese mich jetzt also schon ein und stolpere über diesen Satz:
Jede Maschine wird nach zugehörigen Produktnormen geprüft. Ist keine Produktnorm für diese Maschine bekannt, muss der Prüfer in Erfahrung bringen, ob die elektrische Ausrüstung mit der Dokumentation übereinstimmt, die automatische Abschaltung bei indirektem Berühren sichergestellt und die Funktion der Maschine gegeben ist.
Was ist die "Produktnorm" in diesem Fall?
IH-Elektriker
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Re: "Produktnorm"

Beitrag von IH-Elektriker »

Es gibt nicht die Produktnorm für alle Maschinen - es gibt für einzelne Maschinen auch einzelne Produktnormen (C-Normen)...

Über diesen Normen steht quasi "zentral" die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG und daraus resultierend dann die EN60204-1.

C-Normen für Maschine wären beispielsweise:

DIN EN13726 für pneumatische Pressen
DIN EN692 für mechanische Pressen
DIN EN693 für hydraulische Pressen
EN10218 für Industrieroboter
EN12417 für Bearbeitungszentren
EN13128 für Fräsmaschinen
EN23125 für Drehmaschinen
....
....
....

Diese Liste ist nicht vollständig, es gibt noch genügend andere C-Normen für bestimmte Maschinen bzw. Maschinengruppen.
Einen Überblick welche Maschinen unter die EN60204-1 fallen bzw. von 2006/42/EG abgedeckt sind gibt der Anhang C der EN60204-1:2019-06

Im Regelfall gilt für Maschinen die EN60204-1, teilweise wird dann in den Produktnormen ergänzt oder gestrichen, betreffend den Prüfungen können Prüfungen die nach EN60204-1:2019-06/18 optional sind in den Produknormen verpflichtend werden...

Eine vernünftige Prüfung von Maschinen ist eine komplexe Sache - vielleicht sogar komplexer wie eine Prüfung einer "normalen" elektrischen Anlage/Installation und auf jeden Fall nochmal deutlich komplexer wie eine Prüfung nach VDE701/702.

Alleine um sich intensiv in die EN60204-1 einzuarbeiten kann man eine mehrtägige Schulung besuchen - aus der man mit rauchendem Kopf rausgeht.... :D
Funker
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Re: "Produktnorm"

Beitrag von Funker »

Das ist als Hinweis für die Prüfung von Maschinen auch nicht ganz schlecht : TRBS 1201

(2) Ausgehend von der Gefährdungsbeurteilung und den Maßgaben des Abschnitts 3 der BetrSichV hat der Arbeitgeber bzw. der Betreiber die im Hinblick auf Prüfungen zutreffenden:
- Informationen des Herstellers des Arbeitsmittels bzw. der überwachungsbedürftigen Anlage,
- Regelwerke und weitere Erkenntnisse der gesetzlichen Unfallversicherungsträger,
- Erkenntnisse der staatlichen Arbeitsschutzverwaltungen (z. B. Veröffentlichungen des LASI),
- frei zugänglichen Erkenntnisse der zugelassenen Überwachungsstellen oder von notifizierten Stellen,
- betrieblichen Erfahrungen,
- relevanten Informationen zu den einzuhaltenden Anforderungen dem Stand der Technik entsprechend zu berücksichtigen.

(3) Die Prüfungen nach BetrSichV beinhalten nicht die Prüfungen, welche vom Hersteller oder Inverkehrbringer im Zuge des zutreffenden Konformitätsbewertungsverfahrens nach den Vorschriften zum Inverkehrbringen durchzuführen sind.

Allgemein sollte man das auch in der angegebenen Reihenfolge berücksichtigen.
IH-Elektriker
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Re: "Produktnorm"

Beitrag von IH-Elektriker »

Der Einwand mit der TRBS1201 ist nicht verkehrt.

Um eine Maschine vollumfänglich nach BetrSichV bzw. wie man so schän sagt "nach UVV" zu überprüfen ist meist deutlich mehr wie nur die elektrische Sicherheit abzuprüfen - die elektrische Sicherheit ist meist der kleinere Teil der nötigen Prüfungen ;)
Probator
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Re: "Produktnorm"

Beitrag von Probator »

IH-Elektriker hat geschrieben: Donnerstag 1. August 2019, 09:00Eine vernünftige Prüfung von Maschinen ist eine komplexe Sache - vielleicht sogar komplexer wie eine Prüfung einer "normalen" elektrischen Anlage/Installation
Nicht nur vielleicht, sondern definitiv ist Maschinen prüfen wesentlich komplexer als eine Hausinstallation.

Im Haus gibt es so gut wie nie Umrichter, die hohe Ableitströme erzeugen.
Es gibt kaum Kapazitäten, die 2 Minuten nach Abschalten der Stromversorgung immer noch tödlich hohe Spannungen liefern.
Keine Diskussion um Teile, die in den Potentialausgleich eingebunden müssen, welche die dürfen und welche man keinesfalls auf Schutzleiter legen darf.
Es gibt keine gefährlichen Motorbewegungen, keine verriegelten Schutztüren, keine Lichtschranken, usw usw.

In der Hausinstallation gibts keine Hochvoltprüfungen mit Strömen und Spannungen, die einen problemlos umbringen können.

Wer vor der Prüfung einer unbekannten Maschine also erst mal 1 Stunde nur im Schaltplan rumblättert und mit gekräuselter Stirn auf Schaltschrank und Mechanik glotzt um zu verstehen, was diese Maschine überhaupt macht, der braucht sich nicht zu schämen.
IH-Elektriker
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Re: "Produktnorm"

Beitrag von IH-Elektriker »

Probator hat geschrieben: Donnerstag 1. August 2019, 21:07 Wer vor der Prüfung einer unbekannten Maschine also erst mal 1 Stunde nur im Schaltplan rumblättert und mit gekräuselter Stirn auf Schaltschrank und Mechanik glotzt um zu verstehen, was diese Maschine überhaupt macht, der braucht sich nicht zu schämen.
Bei einer völlig unbekannten Maschine kann dieses reine „Schaltplan glotzen“ auch durchaus länger wie eine Stunde dauern. Je nach Art und Umfang der Maschine kann eine vollumfängliche (Erst-)Prüfung auch schon mal zwei Arbeitstage oder mehr in Anspruch nehmen….alleine die Prüfung der Durchgängigkeit der Schutzleiter ist eine Sache die manchmal Stunden dauern kann, gerade wenn eine Maschine räumlich umfangreich ist.

Und um Sicherheitseinrichtungen zu bewerten und zu beurteilen ist auch sehr komplex, dafür braucht es entweder sehr viel Praxiserfahrung oder eine fundierte Ausbildung.

Strom ist meist das ungefährlichere an einer Maschine ;)
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