Das generelle Problem bei der Maschinensicherheit ist das es in vielen Dingen keine knallharten Schwarz-Weiss-Beurteilungen gibt.
Im Endeffekt geht man bei der Konstruktion einer Maschine von einer sogenannten Risikoanalyse aus – was kann alles an der komplett ohne Schutz betriebenen Maschine passieren und wie „schwer“ sind bspw. Verletzungen, sprich gibt’s „nur“ den obligatorischen blauen Finger und ein bisschen „Autsch“ oder ist der Finger ab oder der Bediener gar tot….? Dementsprechend werden Funktionen oder Bewegungen an Maschinen gemäß ihrer Gefährlichkeit bewertet und eine entsprechende Schutzmaßnahme dazu festgelegt.
Das ganze basiert auf der EN12100, in dieser Norm gibt es eine Liste mit allen möglichen Gefährdungen als Grundlage. Wie gut und umfangreich aber so eine Risikobeurteilung ist, wie umfangreich also die anzuwendenden Schutzmaßnahmen sind – das hängt auch von demjenigen ab wer eben diese Risikoanalyse durchführt, von dessen Erfahrungen, persönlichen Einstellungen, dessen „Risikobereitschaft“ sozusagen
Wenn mehrere Personen eine solche Risikoanalyse erstellen wird es durchaus Punkte geben wo Konstrukteur A ein anderes Sicherheitslevel und somit ggf. andere Maßnahmen wählt wie Konstrukteur B….
Daher gibt es für besonders „gefährliche“ Maschinen die sogenannten C-Normen welche dann explizit bestimmte Anforderungen an die Konstruktion der Maschine und die Verwendung bestimmter Sicherheitsvorrichtungen stellen. So gibt es bspw. u.a. für Pressen (DIN EN692 / DIN EN 693) oder auch Laser (EN1153-1) oder Industrieroboter (EN10218-1/-2) entsprechende C-Normen, aber auch für Drehmaschinen (EN23125) um die es ja hier eigentlich geht.
Dazu kommt das bei der Konstruktion einer Maschine auch immer das STOP-Prinzip angewendet wird, wobei STOP für folgende Punkte steht:
S – substituieren von Gefahrenquellen (lässt sich die Gefahr komplett vermeiden?)
T – technische Schutzmaßnahmen (Schutzzäune, Abdeckungen, Sicherheitsschalter…)
O – organisatorische Schutzmaßnahmen (Bedienungsanleitung, Gefahrenhinweise, Arbeitsplatzgestaltung…)
P – persönliche Schutzmaßnahmen (PSA, persönliche Schutzausrüstung – Schutzbrille, Schutzleidung, Gehörschutz…)
So wird für jede Maschine quasi individuell ein meist ganzes Paket an Maßnahmen geschnürt – je nachdem wie „gut“ oder „schlecht“ das ganze konstruiert und gebaut wurde sind die Maßnahmen von Hersteller A eventuell unterschiedlich zu einer ähnlichen Maschine vom Hersteller B. damit das ganze nicht komplett unterschiedlich wird gibt es noch ein ganzes Rudel von Normen dazu – extra für trennende Schutzeirichtungen (EN14120) und deren Verriegelungen (EN14119), es gibt Normen für Sicherheitsabstände (EN13857), die Annäherungsgeschwindigkeiten von Körperteilen (EN13855) oder natürlich auch für Not-Halt (EN13850) – und noch etliche mehr
Das ganze gilt natürlich auch wenn ich nach BetrSichV alte Maschinen auf ein Sicherheitsniveau mit akzeptablem Restrisiko heben möchte und nicht nur wenn ich Neumaschinen konstruiere….
Somit dürfte klar sein das es hier keine „Kochrezepte“ geben kann, das jede Maschine einer individuellen Betrachtung unterzogen werden muss. Das ist kein Hexenwerk und lässt sich alles machen, ein bisschen Engagement und Fachliteratur sind da schon mal der erste Weg hin hier ordentliche Arbeit abliefern zu können. Hilfreich sind hier oft die Schriften der Berufsgenossenschaften oder die Webseiten BAUA, es gibt von vielen Herstellern von Sicherheitsbauteilen oftmals hervorragende Literatur kostenfrei zum Download usw.
Auch wenn man bei einer Aufrüstung manchmal sicherlich nicht perfekte Arbeit abliefert, sobald man was tut was halbwegs in die richtige Richtung geht ist man am richtigen Weg. Wichtig ist nicht grob fahrlässig zu handeln, nicht die Augen zu machen (…hat die letzten 20 Jahre so funktioniert und alle Mitarbeiter haben noch alle Arme und Beine dran…) oder gar vorsätzlich handeln (…die dumme BG mit ihren Vorschriften kann mich mal…) und schon ist eigentlich alles so ziemlich Okay – ich sag immer das mich niemand verpflichten kann in meinem Job Spitzenklasse zu sein, ich darf als Konstrukteur auch ein Versager sein – halt nur nicht grob fahrlässig oder mit Vorsatz handeln
Und eines muss immer klar sein – es wird immer ein Restrisiko geben und es ist verdammt schwer etwas idiotensicher zu bauen weil Idioten so Genial sind !
(ach übrigens, ich finde „wir Elektriker“ haben es mit „unserer VDE“ manchmal echt schön einfach….wenn ich sehe wie komplex Maschinensicherheit ist
)