Messfehleraufschlag in Altanlagen

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SPS
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Re: Messfehleraufschlag in Altanlagen

Beitrag von SPS »

Von Fluke aus 2006
Sicherheitszuschlag von ca. 35 %
. Das macht dann beim IK etwas mehr wie nach 2/3 Formel aus.
http://www.rekirsch.at/user_html/128283 ... sfibel.pdf

PDF Seite 46
Mit freundlichem Gruß sps
bo_93
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Re: Messfehleraufschlag in Altanlagen

Beitrag von bo_93 »

tm90 hat geschrieben: Dienstag 22. Februar 2022, 19:51 Moin,

ich stolpere immer wieder in Altanlagen (1970/1980) über die neu eingeführte 2/3 Formel für die Messfehlereinberechnung.
Als die Verteilungen und Steckdosen/Leuchtenstromkreise etc. erbaut wurden, war alles in Ordnung wie z.B. 100A Kurzschlussstrom bei einem B16A Automat.
Jetzt kommt ein Umbau von Röhre auf LED und ich soll messen.
Laut der neuen Regel soll ich die Fehler mit im Messwert einrechnen, im oben genannten Beispiel 120A.
Gemessen habe ich aber nur 100A.

Kennt jemand das Problem?
Wie löst Ihr das?
Nur vermerk in das Prüfprotokoll mit Übergabe oder übergebt Ihr das nicht dem Kunden ohne Umbau?
Moin tm90,
wenn du "nur" prüfen sollst: im Protokoll vermerken und gut.
wenn du selber umbaust:
die einfachste Antwort in meinen Augen, wenn die Messwerte zur Leitungslänge etc pasen
:Strom messen und LSS tauschen


Grundsätzlich ist der zulässige Spannungsfall seeeehr wahrscheinlich schon längst Überschritten, bei den Messwerten.. - Was bringt es mir, wenn ich die Leitung theoretisch mit 16 A belasten kann, aber am Ende nur noch knapp 200 V ankommen und z.B. 400 Watt unterwegs verbraten werden ?


Weiter gedacht:
Gerade wenn der Stromkreis konstant mit einer höheren Last betrieben wird, kann es sinnvoll sein den Querschnitt zu erhöhen - um mal im Bereich von 16 A zu bleiben: z.B. Beleuchtung in einer Industriehalle in der 24h am Tag gearbeitet wird.



Auch wenns jetzt ziemlich theoretisch wird,vorweg folgende Überlegung zur Bewertung deiner Messwerte:
RCD vorhanden?
ja: Personenschutz wird durch den RCD übernommen, LSS übernimmt den Leitungsschutz
Forderung an den RCD: --> Nach VDE 0100-410:2018-10 für Endstromkreise TN-System 0,4 Sekunden (in der 0100-410:November 1983 0,2 Sekunden)
LSS: Leitungsschutz
Leitungsschutz: Sicherstellen, dass der Kurzschluss vor dem Beschädigen der Leitung abgeschalten wird ---> höchstmögliche Kurzschlussdauer bis zum erreichen der Leitergrenztemperatur ermitteln (VDE 0100-430):2010-10 Tabelle 43A bzw VDE 0100-430:Juni 1981 Abs. 6.3.2.2

t=(k*(S/I))²

t= zulässige Zeit im Kurzschlussfall
S= Leiterquerschnitt in mm²
I= Kurzschlussstrom in A
k= Konstante - für PVC-Isolierte Kupferleitung 115

Querschnitt in deinem Fall ist mir nicht bekannt, ich gehe einfach mal von 1,5 mm² aus.
Kurzschlusstrom hast du 100 A gemessen, bei der 30% Betrachtung kann er im blödesten Fall 100/1,5= 66,66 A sein


Ergibt nach der Formel eine Kurzschlussdauer von t=6,69 Sekunden

Auslösekennlinie des LSS bedrachten:
66,66/16=4,1
Kennlinie Eaton:
Eaton-Kennlinie.png
kürzeste Abschaltzeit: ~ 3 Sekunden
längste Abschaltzeit: ~ 9 Sekunden

Fazit: längste Abschaltzeit > höchstmögliche Kurzschlussdauer -> Leitungsschutz nicht sichergestellt: Querschnitt erhöhen oder Absicherung anpassen.


Kein RCD vorhanden: da kannst du dir das Rechnen sparen...

Die Messungenauigkeit wird real unter normalen Bedingungen bei Zi ehr nicht in den Bereich von 30 % kommen - kannst dir ja mal die Abweichung auf dem Kalibrierprotokoll von deinem Messgerät zum Vergleich anschauen... :)


Gruß

bo_93
tm90
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Re: Messfehleraufschlag in Altanlagen

Beitrag von tm90 »

Vielen Dank für die ausführlichen Antworten dank1

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Messgerätehersteller die Messfehler schon länger auf dem Schirm haben, das ist gut zu wissen.

@SPS Danke für Links, Dokumente gleich abgespeichert dd1

@ bo_93 Spannungsfall ist da schon ganz weit überschritten :D
vielen Dank auch für deine Berechnung der Verluste, damit bekommt man leider eher die Leute

Ich bin gespannt, zur Zeit bin ich in so einem alten Gebäude.
Da brauche ich noch nicht mal das Messgerät auspacken...
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SPS
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Re: Messfehleraufschlag in Altanlagen

Beitrag von SPS »

Hallo,

Fachzeitschrift EP

Beitrag aus 1999
https://www.elektropraktiker.de/ep-1999 ... 3f7728e0f4
Beitrag aus 2001
https://www.elektropraktiker.de/luk-200 ... 3a47d5c738

Beitrag aus 1998 nicht Online
Elektropraktiker, Berlin 52 (1998 Dipl.-Ing. Klaus Bödeker) 12 hat geschrieben:LS-Schalter B Abschaltbedingung Ia ≥ 5·In bei In = 16 A ≥ 80 A ≥ 105 A ≤ 2,2 Ω
Hier wurde mit Faktor 1,3 anstelle heute mit 1,5 gerechnet.
Mit freundlichem Gruß sps
tm90
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Re: Messfehleraufschlag in Altanlagen

Beitrag von tm90 »

SPS hat geschrieben: Mittwoch 23. Februar 2022, 08:38 Hallo,

Fachzeitschrift EP

Beitrag aus 1999
https://www.elektropraktiker.de/ep-1999 ... 3f7728e0f4
Beitrag aus 2001
https://www.elektropraktiker.de/luk-200 ... 3a47d5c738

Beitrag aus 1998 nicht Online
Elektropraktiker, Berlin 52 (1998 Dipl.-Ing. Klaus Bödeker) 12 hat geschrieben:LS-Schalter B Abschaltbedingung Ia ≥ 5·In bei In = 16 A ≥ 80 A ≥ 105 A ≤ 2,2 Ω
Hier wurde mit Faktor 1,3 anstelle heute mit 1,5 gerechnet.
Vielen Dank für die Beiträge, auch da steht am Ende der Leserfrage, dass dies die Elektrofachkraft abschätzen muss. Ohje, da wurde wieder ein grauer Bereich geschaffen. Hier ist auch bei beiden Beiträgen von 30% die Rede, auch bei Fluke Messfiebel.
Woher kommen nun die 60% Zuschlag?
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SPS
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Re: Messfehleraufschlag in Altanlagen

Beitrag von SPS »

Der Ik wird nur gerechnet vom Messgerät.
Zs ≤ 230 V/80 A Zs ≤ 2,88 Ω Wert ohne Messfehler.
Zs ≤ 2/3 x (230 V/80 A) = 1,9166 Ohm, mit Messfehler

Ik berechnet aus dem ermittelten Zs
I= U/R
I= 230 V / 1,9166 Ohm = 120,00 A

Die etwas über 30 % Fehler + Temperaturfehler bei Rechnung über Zs werden beim Ik zu 50%
Mit freundlichem Gruß sps
tm90
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Re: Messfehleraufschlag in Altanlagen

Beitrag von tm90 »

50% meinte ich auch doh1

Vielen Dank für die Antwort. dank1
Probator
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Re: Messfehleraufschlag in Altanlagen

Beitrag von Probator »

Die 50% Aufschlag setzen sich meines Wissens zusammen aus:
- 20% wegen Erwärmung (man misst ja meist bei abgeschalteten Lasten)
- 30% wegen Messfehlern

Welchen Gossen Profitest hast du? Bei einem MXTRA hast du wegen den höheren Prüfströmen eine viel bessere Genauigkeit als 30%.

Bei einem B16 brauchst du rechnerisch 80A.
Wenn du >100A gemessen hast, sind das ja >20% Sicherheit.

An einer Lampenleitung ist auch nicht zu erwarten, dass jemand noch eine Kabeltrommel dranhängt.


Wirklich toll ist ein Messwert von 100A nicht, da müssen schon einige dutzend Meter Leitung oder Klemmstellen davorsitzen.
Ob du das akzeptierst, ist deine Sache. Wenn du es tust, kannst du ja im Protokoll empfehlen, mal die Klemmstellen zu kontrollieren (Dosenklemmen gegen Wagos tauschen, Schrauben an den Sicherungen nachziehen, ...).
tm90
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Re: Messfehleraufschlag in Altanlagen

Beitrag von tm90 »

Puh kein einfaches Thema.

@Probator Ich arbeite mit dem MXTRA.
Die Messwerte sind wirklich nicht optimal, aber auch nicht so richtig durchgefallen - ist ja Bestandsschutz (anderes Thema).
Und ich prüfe jetzt wieder so eine Anlage, deshalb die Frage.

Kann mir vielleicht noch jemand sagen, wo das in der VDE steht?
Da hätte ich nochmal ein Hilfsmittel mehr bei der Umsetzung.
Irgendwie komme ich da bei der Suche nicht weiter.
bo_93
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Re: Messfehleraufschlag in Altanlagen

Beitrag von bo_93 »

Moin Tim,
schau dir mal die DGUV Information 203-072 an, alls du die noch nicht kennst, ab Seite 43 - gibt es ein paar Beispiele zu dem Thema.

https://www.bghm.de/fileadmin/user_uplo ... 03-072.pdf

Ansonsten steht die 2/3 in DIN VDE 0100-600 (VDE 0100-600):2017-06 Anhang D.6.4.3.7.2

Orginal kommt die aus der Norm für die Messgeräte - DIN VDE 0413-2 die ist aber nicht Bestandteil der Handwerkerauswahl... :)

Gruß

bo_93
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