Bewertung der Abschaltbedingungen

Olaf S-H
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Bewertung der Abschaltbedingungen

Beitrag von Olaf S-H »

Moin zusammen,

mir fällt bei der Sichtung von Prüfprotokollen verstärkt auf, dass die Abschaltbedingungen nicht vollständig betrachtet werden. Die "Zweidrittel-Formel" aus der VDE 0100-600 findet immer seltener Anwendung und ist den "Prüfern" dann auch nicht bekannt. Auch sind die den Abschaltzeiten (z. B. 0,4 s) zugehörigen Ströme dann selten bekannt.

Habt Ihr ähnliche Erfahrungen gemacht?

Gruß Olaf
Dies ist keine rechtsverbindliche Auskunft sondern meine Meinung bzw. mein Tipp für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland! Die einschlägigen Normen/Vorschriften (z. B. DIN, VDE, TAB, DGUV, TRBS, BekBS, NAV, EN, LBO, LAR, ArbStättV, BetrSichV, ProdSG, ...) sind zu beachten. Ein Rechtsanspruch kann hieraus nicht abgeleitet werden. Die Nennung von Fundstellen in Regelwerken stellt keine Rechtsberatung sondern nur die Sichtweise des Verfassers dar.
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Für elektrotechnische Laien gilt: Dieser Beitrag erläutert die technischen Zusammenhänge. Die Umsetzung obliegt den konzessionierten Fachbetrieben (§13(2)NAV).

"Wer eine Handlung begeht, der übernimmt auch alle daraus folgende Pflichten." §33 I-3 prALR 1794
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SPS
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Re: Bewertung der Abschaltbedingungen

Beitrag von SPS »

Hallo Olaf,
nicht nur die 2/3 Formel ist nicht bekannt. Viele Kennen nur die Duspol Prüfung.
Mit freundlichem Gruß sps
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Lightyear
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Re: Bewertung der Abschaltbedingungen

Beitrag von Lightyear »

WER bitteschön soll denn da was bewerten..? furios1
Die Leute, die ich hier in der Region mit einem Schutzmaßnahmenprüfgerät 'rumwedeln sehe, haben zu 80% keinerlei Ahnung von dem, was sie da tun.

Chef: "Hier (setze den Namen eines beliebigen Monteurs ein) da hast Du das Schutzmaßnahmenprüfgerät, pass' da ja drauf auf, das war sackteuer und ich geb's net gern aus der Hand! Verstell' da bloß nichts, wenn Du da was dran verdrehst, zieh' ich Dir die Reparaturkosten vom Lohn ab! Die Bedienungsanleitung ist dabei, brauchst Du aber eigentlich gar nicht, das Gerät sagt Dir dann schon, wenn etwas nicht passt - ich will da aber sowieso nur grüne Haken sehen, verstanden?!?
Du kannst auch den (setze den Namen eines beliebigen anderen Monteurs ein) mal anrufen, der hat das Gerät auch schon mal benutzt udn war dabei, als der GH-Außendienstler das Gerät vorbeigebracht hat. Und jetzt los, 'raus aus dem Büro, vom Rumstehen und dumme Fragen stellen bezahlen sich keine Rechnungen und Löhne! Und bring bloß keine Protokolle mit nicht passenden Ergebnissen zurück - ich habe da so einen Klugscheißer an der Backe, der zerpflückt Dich, wenn da die Ergebnisse nicht passen. Dann kannst Du Dir einen neuen Job suchen, weil ich wegen Deiner Messerei mein Geld nicht bekomme. Also vamos muchacho, gib Gas, denn eigentlich ist die Zeit für diese Scheißmesserei gar nicht einkalkuliert!"

Nein, auch wenn der eine oder andere Leser das für unmöglich halten mag, stellt mein obiges Beispiel doch sehr genau nach, wie es in kleinen und mittleren Betrieben des Elektrohandwerks zugeht.

Daher nochmal die Frage: WER soll das WAS bewerten?
Es streiten sich ja sogar hier teilweise die Fachleute und ich unterstelle denen, dass sie bedeutend mehr Einblick in die Materie haben, als der handelsübliche Geselle auf'm Bau.
Funker
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Re: Bewertung der Abschaltbedingungen

Beitrag von Funker »

Das erste Problem, im allgemeinen sehe ich in den meisten Anlagen vor Ort keine Protokolle.

Da Teilvermietung für Gewerbeobjekten von großen Finanzdienstleistern ein große Breite angenommen hat, schickt man seine Protokolle und Abrechnungen oft an die kaufmännische Adresse des AG.
Von dort geht es vermutlich auf den Server in Brüssel oder NY und das war`s.

Man ist ja schon froh wenn überhaupt Einbauteile bezeichnet sind oder sogar noch daneben Schaltpläne vorliegen.

Zum Glück darf man das Gegenteil davon als Mangel benennen.

Der VdS hat im letzten Jahr vorerst mündlich festgelegt, daß die letzten Prüfprotokolle vor Ort da sein sollen, sonst ist das ein Mangel.
Wir werden sehen, wie sich das entwickelt.

Zum aktuellen Thema, ich betreue ein Krankenhaus da hat der Planer von einer Verteilung aus zwar wohl mit 3 x 2,5 qmm bei Luftlinienentfernung
von ca. bis 30 m gerechnet aber nicht bedacht, daß zum Zeitpunkt der Errichtung nicht mehr mit Abzweigsdosen gearbeitet wurde sondern
die Leitungen von Dose zu Dose weitergeschleift wurden.
Das hat zwar den Vorteil, daß man am Ende an der letzten Dose bei der Messung den Höchstwert hat, der dann mit Sicherheit für alle gilt.
Aber den Nachteil, daß zu Luftlinie jeweils an jeder Putzdose zweimal der Weg von der abgehangenen Decke zur Dose dazukommt.
So gab es dann am Ende bei Absicherung 16 A Werte über 3 Ohm.
Entweder da hatte dann gar keiner gemessen, oder die 2/3 nicht beachtet.
Ich habe dann einmal hier schon vor über 10 Jahren "vorausschauend auf die EU Anordnung zu den Staubsaugern" die Absicherung auf 10 A absenken lassen. Das betraf bestimmt ca. 20 SK.
Olaf S-H
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Re: Bewertung der Abschaltbedingungen

Beitrag von Olaf S-H »

Moin Lightyear,

ZVEH-Schulze sprach letztens von 600.000 perfekt ausgebildeten Fachkräften im ehrbaren Handwerk. Leider sind diese Mannen nur vereinzelt anzutreffen. Deine Ausführungen kann ich nachvollziehen. Ich habe aber auch schon ein anderes Extrem kennengelernt - und die Firma existiert noch. Es geht also.

Gruß Olaf
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Olaf S-H
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Re: Bewertung der Abschaltbedingungen

Beitrag von Olaf S-H »

Moin Funker,

durch das Allheilmittel RCD ist das ZS-Problem sicherlich beherrschbar. Im Krankenhaus-IT-System allerings eher nicht. Ansonsten wird ja auch gerne vergessen, dass für ZI (VDE 0100-430) andere Kriterien gelten.

Gruß Olaf
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Elo-Ocho
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Re: Bewertung der Abschaltbedingungen

Beitrag von Elo-Ocho »

Moinsen,
Lightyear hat geschrieben: Mittwoch 4. April 2018, 09:05 WER bitteschön soll denn da was bewerten..? furios1
Die Leute, die ich hier in der Region mit einem Schutzmaßnahmenprüfgerät 'rumwedeln sehe, haben zu 80% keinerlei Ahnung von dem, was sie da tun.
...
Das traurige an der Sache ist, dass ich dem nicht widersprechen kann.

Wir gehen jetzt auf eine Geräteeinweisung beim Hersteller. Dort wird in das Gerät eingewiesen. Die Vermittlung der Prüfvorschriften ist ausdrücklich nicht Bestandteil der Unterweisung.

Ich denke, dass eine gute Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter der Schlüssel zu zufriedenem und vor allem bleibendem Personal ist.

Ich habe letztens ein völlig unpassendes Protokoll bekommen, außer den Anschriften der Firma und des Kunden stimmte da nix. Wenn sich jemand die Ergebnisse schlüssig im Büro ausgedacht hätte, wäre mir das wohl nicht aufgefallen, aber da stimmte gar nix. Mit so was tut man sich doch keinen Gefallen. Große Firma, bin sonst gute Leistung von denen gewohnt.

Anderer Fall, kleine Firma, hat auch immer gut gearbeitet. Rückfragen zum Prüfprotokoll wurden erstmal mit einem unverständlichen:" Wie, da schaut einer rein" geadelt...

Es liegt meiner Meinung nicht in erster Linie am Monteur, bzw. Prüfer, dass dieser nicht weiß was er tut, sondern am Chef, der das so zulässt, und am Kunden, der keine Ahnung hat oder den es nicht interessiert.

Gruß,

Ocho

PS: Zum Thema: Muss ich nicht aufgrund der Toleranzen den gemessenen Schleifenwiderstand +50% rechnen, um die Einhaltung der Abschaltzeit zu berechnen? Ist schon so lange her...
Immer wenn ich Langweile habe, dann melde ich mich in einem Eltern-Forum an und Frage, wie weit man den Schimmel im Pausenbrot der Kinder wegschneiden sollte...
Olaf S-H
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Re: Bewertung der Abschaltbedingungen

Beitrag von Olaf S-H »

Moin Ocho,

wenn man die Formel umstellt ergibt sich:

gemessener ZS + 50 % = erforderliche Abschaltimpedanz (U0/Ia) (also bei B16 A und 0,4 s: 230 V / (5 * 16 A) = 2,875 Ohm)
ZS (gemessen) + 50 % <= 2,875 Ohm

gemessener Kurzschlusstrom = erforderlicher Kurzschlusstrom (Ia) + 50 % (bei B16A und 0,4 s müssen also 5 * 16 A + 50 % = 120 A erreicht werden)
Ia (gemessen) >= 120 A

In den 50 % (bzw. 2/3) sind die Betriebsabweichungen und auch die Erwärmung der Leitung beim Überstrom berücksichtigt. Mit 50 % rechnet es sich einfacher als mit 2/3.

Gruß Olaf
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Re: Bewertung der Abschaltbedingungen

Beitrag von Olaf S-H »

gelöscht, da vertipp (Zitat statt Ändern)
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Lightyear
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Re: Bewertung der Abschaltbedingungen

Beitrag von Lightyear »

Wie Ocho schon schreibt, wäre es natürlich wesentlich zu kurz gegriffen, dem armen Tropf auf der Baustelle, der das Messgerät zum ersten Mal sieht und zuletzt in der Berufsschule (20+x Jhare her) eine Messung gemacht hat, hier die schuld in die schuhe zu schieben.
Ja, die Chefs sind in der Verantwortung, ebenso aber auch die Planer, die sich zwar die "bauüberwachung" fürstlich bezahlen lassen, aber oftmals selbt nicht den Schimmer einer Ahnung haben oder schlicht völliges desinteresse haben.
Wie kann es sonst anders sein, dass Bestandspläne und Anlagendoku inkl. aller Messprotokolle grob fehlerhaft sind, wohl aber den Ausgangsstempel des Dipl.Ing tragen?
Nein, auch das ist keinesfalls die Ausnahme.

Hier in der Steckdose lässt sich vortrefflich und fast bis in die Lächerlichkeit hinen über das letzte Mü diskutieren, aber was nutzt das, wenn draußen deutlich mehr als die Hälfte der Anlagen nicht oder höchstens mittels Duspol geprüft sind und sich NIEMAND daran stört.
Die Steckdose als "Insel der Glückseligen" hat halt nach wie vor so gut wie nichts mit der Realität zu tun - vielleicht ist das neben den Bekannten auch ein weiterer Grund, warum kaum irgendwer dieses Forum noch ernst nimmt. :(
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