Moin,
ich oute mich mal als Schaltschrankbauer, E-Konstrukteur, Organisator und Werkstattleiter bei einem ebenfalls mittelständischen Betrieb
CAD/CAE:
Ich weiss nicht was bei euch diesbezüglich an Erfahrungen vorhanden ist. Rein auf Eplan bezogen kann ich schon mal sagen dass ihr bei null Vorkenntnissen mit einer Einarbeitungszeit von mindestens nem halben Jahr rechnen könnt (bei täglich ~8h Arbeit mit dem System) bis der/die Mitarbeiter zumindest einigermaßen flüssig damit arbeiten können. Und da ist Propanel, Smartwiring etc. noch gar nicht berücksichtigt. Youtube-Empfehlung dazu: "Eplan kurz erklärt" von Kai Hennings, die Videos sind top!
Fangt von vornherein mit funktionsorientierter Konstruktion nach IEC 81346 an und arbeitet so viel es geht mit Makros für oft verwendete Funktionen. Macht das ganze einfacher und schneller. Ausserdem direkt als erstes ein Basisprojekt erstellen das eure betriebseigenen Formulare für Auswertungen, Normblätter, Prüfläufe und so weiter enthält und dann anschliessend nur noch dieses Basisprojekt als Arbeitsgrundlage verwenden. Das macht zwar einmal extrem viel Arbeit bis alles funktioniert aber hinterher ist dann alles einheitlich.
Sehr aufwändig ist die Pflege der Artikeldatenbank. Eplan liefert zwar eine mit aber die ist - hm ja, reden wir nicht darüber. Man kann Artikelmakros aus dem Dataportal runterladen aber die sind je nachdem wie viel Mühe sich der Ersteller gemacht hat mehr oder weniger brauchbar. Ich habe bislang kein einziges Artikelmakro runtergeladen das ich nicht nachbearbeiten musste. Aktuell verwende ich auf die Artikelpflege in Eplan gut 1-1,5h pro Tag. Bei der Planerstellung auch immer mal wieder einen Prüflauf zwischendurch machen und die Meldungen abarbeiten. Geht einfacher als bis zum Schluss zu warten und dann "Es wurden über 500 Meldungen generiert, der Prüflauf wird abgebrochen" von Eplan präsentiert zu bekommen. Auch hier wieder: Saubere, funktionsfähige Artikelmakros machen das Leben wesentlich einfacher. Lieber eine Stunde mehr als eine zu wenig investieren.
Was die mechanische Seite angeht: Man kann mit Propanel arbeiten und alles in Eplan machen. Ich persönlich mache die E-Konstruktion in Eplan (unter anderem) und die mechanische Seite in einem parametrischen 3D-CAD-System weil das dafür wesentlich komfortabler ist (und es für alles und jedes bereits fertige Zeichnungen in diversen Formaten bei den Herstellern gibt). Aber das ist meine persönliche Meinung und vielleicht auch ein bisschen davon beeinflusst dass ich seit zwanzig Jahren mit CAD-Systemen arbeite.
Bezüglich der Kosten: Hier gibts eigentlich - fast bei allen einschlägig bekannten Anbietern - eh nur noch Mietmodelle. Man zahlt pro Jahr einen bestimmten Betrag und bekommt dafür immer die neuesten Versionen und Updates. Das geht richtig ins Geld!
Hardware wurde ja schon genannt, auch hier nicht sparen und vernünftiges Equipment kaufen. Wenn ihr auch programmieren wollt daran denken dass ihr dann auch Notebooks für die Inbetriebnahmen und die Lizenzen dementsprechend mindestens doppelt (einmal Field-PG und einmal Bürorechner) braucht.
Beschriftungssystem braucht ihr auch noch, hier müsst ihr gerade bei den Reihenklemmen überlegen welches Fabrikat ihr einsetzen wollt und welchen Drucker bzw. welches Verbrauchsmaterial ihr dafür braucht. Wir haben zur Zeit vier Smartprinter von Wago und einen Thermomark von Phönix. Geplant ist noch ein Printjet von Weidmüller, der existiert sogar schon im Unternehmen aber aktuell noch in einer anderen Abteilung die den eigentlich schon längst rausrücken sollte
Legt in Eplan auch besonderes Augenmerk auf korrekt geführte/ausgewertete Stücklisten. Dazu kommt gleich noch was.
Werkstatt:
Unbedingt zwei Werkstätten einplanen, einmal Elektro und einmal Mechanik. Haben wir bei uns strikt getrennt um den Dreck aus der Mechanik/Aufbauwerkstatt nicht in der E-Werkstatt zu haben.
Wenn es in irgendeiner Form machbar ist schaut zu dass ihr in der Werkstatt/den Werkstätten eine Krananlage zur Verfügung habt. Wenn es fest montiert (Brückenkran oder Säulenschwenkkran) nicht geht zumindest als mobilen Portalkran. Wir haben aktuell leider nix in der Richtung und es vergeht kein Tag an dem ich nicht sehnsüchtig an die Krananlage in meiner privaten Schrauberhöhle denke.
Schafft euch auf jeden Fall höhenverstellbare Tische für die Verdrahtungsarbeitsplätze an, es gibt nichts schlimmeres als den ganzen Tag in gebeugter Haltung über der Montageplatte zu hängen.
Standardwerkzeug in Werkstattwagen mit Inlays bereitstellen, die Kfz-Buden machen es vor. Klassische Koffer/Kisten sind scheisse. Für speziellere/teurere Sachen einen separaten abschliessbaren Raum bereitstellen zu dem auch nicht jeder einen Schlüssel hat und generell Schaltschrankbau und Produktion/Montage werkzeugmässig trennen. Gibt nix beschisseneres als festzustellen dass die Presszange die du dringend brauchst um den Schrank fertig zu machen morgens vom Monteur auf die Baustelle mitgenommen wurde.
Werkzeugtipp: Es gibt Abläng - u. Crimpautomaten für die Aderkonfektionierung (die Verdrahtung ist einer der größten Kostenfaktoren im Schaltschrankbau) die exorbitant teuer sind. Lohnt sich erst wenn man Stückzahlen generieren kann. Für den Anfang tuts bis 2,5mm² die Stripax Plus 2,5 von Weidmüller - schneiden, absetzen und Aderendhülse crimpen mit einem Werkzeug, die Aderendhülsen werden in Streifenform ins Magazin eingelegt. Ich hab fünf Stück davon die jeweils mit 0,50mm², 0,75mm², 1,0mm², 1,5mm² und 2,5mm² "geladen" sind - enorme Zeitersparnis, möchte ich nicht mehr missen!
Dann gibts noch Handlingsysteme für die Montageplatten. Sind schweineteuer, ich würde aber mal drüber nachdenken. Man glaubt gar nicht wie schwer eine voll bestückte Montageplatte sein kann wenn man die nach der Fertigstellung in den Schrank einbauen will.
Paar Details hab ich sicherlich noch vergessen - aber das findet ihr dann schon selbst raus
Lager:
Jaaaaa - großes Thema. Grundsätzlich muss man sich hier erst mal überlegen ob man herstellerneutral arbeiten will oder sich auf einen bestimmten Hersteller festlegt. Ich sag mal - jein. Also wir arbeiten tatsächlich herstellerneutral, sprich wenn der Kunde B haben will bekommt er auch B. Nichtsdestotrotz haben wir natürlich unser Standardmaterial - wenn es vom Kunden keine bestimmte Anforderung gibt bekommt er halt unser Standardmaterial. Das ist bei Schaltschränken beispielsweise Rittal (da kann ich jetzt nicht sagen dass die besonders teuer sind und Spezialanfertigungen hab ich noch nie gebraucht) und bei Klemmen Phönix. Material muss grundsätzlich immer vorrätig sein, hier muss man sich dann mal Gedanken machen was man braucht und dann Mengen festlegen. Die Lagerung ansich ist relativ einfach - lose Schüttware wie Aderendhülsen, Kabelschuhe etc. in Sichtlagerboxen (transparente haben sich bei uns bewährt) und Kartonware (Reihenklemmen, REG etc.) in Euroboxen. Das ist bei uns auch noch im Aufbau und ein großer Punkt auf meiner To-do-Liste. Ich kann morgen mal ein Foto machen wie das aktuell bei uns ausschaut, ich hab mir dafür was nettes ausgedacht.
Aber generell gilt: Standardisierung ist das A und O.
Hinsichtlich der Bevorratung von Verdrahtungsleitung: Also wir haben die klassischen 100m-Kartons bzw. Ringe. Für die MSR - bzw. Automationsschränke brauchen wir aber bestimmte Typen buchstäblich kilometerweise, die bestelle ich dann zusätzlich noch mal als Spulenware. Da werde ich im Laufe des Jahres auch noch mal Abrollvorrichtungen konstruieren die man sich neben den Arbeitsplatz stellen kann.
Kommissionierung: Ich hab ja oben schon Stücklisten erwähnt. Ein nicht ganz unerheblicher Zeitwand war bei uns (und ist es teilweise immer noch) die Sucherei nach den richtigen Teilen. Egal wie ihr das Lager letztendlich anlegt - arbeitet mit Lagerplätzen die in Eplan beim jeweiligen Artikel in der Stückliste hinterlegt sind! Dann kann man sich einfach einen Wagen schnappen und mit der ausgedruckten Stückliste das notwendige Material einsammeln.
Die Lagerorganisation machen im besten Fall zwei, max. drei Leute. Alles andere geht schief und endet im Chaos denn die beste Orga nützt nix wenn der erste der morgens kommt das Zeug aus der Anlieferung mitnimmt und dann "irgendwo" hinpackt. Ich weiss wovon ich da rede, glaub mir
Personal:
Schwierig, sehr schwierig. Ich weiss nicht wie ihr aufgestellt seit aber mein Hauptproblem besteht darin dass Leute fehlen die sich mit Industrieautomation bzw. MSR-Technik auskennen. Wir machen ja alles vom Kleinverteiler bis zum Automationsschrank mit zig Feldern. Die Erfahrung hat gezeigt dass - nennen wir ihn mal so - der klassische Elektriker zwar mit Verteilungen ohne großartige Steuerungskomponenten gut zurecht kommt aber bei zb einem MSR-Verteiler mit viel DDC-Kram komplett überfordert ist. Wenn da die Pläne nicht hundertprozentig sind geht das schief, wenn da im Plan ein Fehler ist bauen die den Fehler (den ein Automatisierungstechniker sofort erkennen und der Konstruktionsabteilung melden bzw. ihn direkt korrigieren würde) so ein. Ebenfalls eigene leidvolle Erfahrung.
Prüfung/QS:
Direkt von Anfang an Gedanken darüber machen wie und was ihr prüfen wollt. Wir haben dafür eine Checkliste gemacht die Punkt für Punkt abgehakt werden kann und die natürlich auch die messtechnischen Nachweise enthält. Zusätzlich gibts für jeden Schrank der rausgeht eine detaillierte Fotodokumentation die bei uns hinterlegt wird.
Generell:
Kann man noch ellenlange Romane schreiben. Das meiste findet man eh erst im Laufe der Zeit und mit wachsender Erfahrung heraus, Optimierung ist eben ein laufender Prozess.
Gruß Tobi