Kabeldimensionierung 22kW Motor

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Tobi P.
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Re: Kabeldimensionierung 22kW Motor

Beitrag von Tobi P. »

Moin Markus,

die Funktionsweise eines FU ist mir durchaus bekannt, ich habe im Laufe meines Lebens weit mehr als nur einen davon eingebaut, parametriert und hin und wieder auch mal zusammengekehrt inocc1
Und die Leitungen gerechnet natürlich auch, sowohl motorseitig (ok, das erübrigt sich beim Dezentralisierungshype langsam aber sicher wenn der FU immer öfter direkt am Antrieb sitzt) als auch zuleitungsseitig :)

Mir ging es mit dem Beispiel nicht darum eine Querschnittsdimensionierung speziell für den Fall im Originalpost zu zeigen sondern darum wie so was allgemein gemacht wird. Beziehungsweise welche verschiedenen Parameter überhaupt berücksichtigt werden müssen und warum ein einfaches rauspicken aus einer Tabelle nicht funktioniert. Dem aufmerksamen Leser wird vielleicht auch aufgefallen sein dass ich die zulässigen Leitertemperaturen nicht erwähnt habe was ja einen weiteren zu berücksichtigenden Parameter darstellt wenn man sich die Querschnittstabelle raussucht.



Gruß Tobi
laut&hell
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Re: Kabeldimensionierung 22kW Motor

Beitrag von laut&hell »

Guten Abend,

wie bereits angemerkt, ist der Querschnitt bei Motorkabeln zwischen FU und Motor eher einer der untergeordneten Größen und folgt anderen Regeln als den üblichen bekannten. Bei den Herstellern gibt es hier relativ ausführliche Projektierungsanleitungen.

Grob & kurz beschrieben:
- Leiteroberfläche ist wichtiger als Querschnitt (bevorzugt fein- oder feinstdrähtig anstatt Massivader oder mehrdrähtig)
- Kabel kurz halten und je nach Umgebung geschirmte Kabel verwenden oder im (großflächig) geerdeten und verschlossenen Metallkanal verlegen
- Geschirmte Kabel belasten den FU stärker und müssen kürzer bleiben, ebenso steigen die Ableitströme - ob der Einsatz ungeschirmter Kabel möglich ist muss im Rahmen eines EMV-Konzepts betrachtet werden (der Einsatz von FUs aber eigentlich generell)
- Beim notwendigen Einsatz ungeschirmter Leitungen ggf. Filter vorsehen - die reduzieren die Emission, erhöhen aber den Ableitstrom weiter
- Ableitströme besonders beim FU-Anschluss betrachten, oft überschreiten FUs 3,5mA Ableitstrom und müssen dann mit min 10qmm oder mit einer redundanten Verbindung in den Schutzpotentialausgleich einbezogen werden
- Kabelschirme entsprechend großflächig erden mit direkter Verbindung zu einem Potentialausgleich auf FU-Seite, für den dezentralen Einsatz gibt es entsprechende Verschraubungen mit Bürstenkontakten

... um nur ein paar relevante Punkte zu nennen. Da infolge der hohen Ableitströme und der massiven Emission an Störfeldern eine höhere Gefährdung besteht, ist bei Installation und Planung noch mehr Vorsicht und Erfahrung erforderlich als sonst schon. (Und natürlich generell Elektrofachkräften vorbehalten).
Challenger
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Re: Kabeldimensionierung 22kW Motor

Beitrag von Challenger »

laut&hell hat geschrieben: Dienstag 16. Februar 2021, 20:32 Guten Abend,

wie bereits angemerkt, ist der Querschnitt bei Motorkabeln zwischen FU und Motor eher einer der untergeordneten Größen und folgt anderen Regeln als den üblichen bekannten. Bei den Herstellern gibt es hier relativ ausführliche Projektierungsanleitungen.

Grob & kurz beschrieben:
- Leiteroberfläche ist wichtiger als Querschnitt (bevorzugt fein- oder feinstdrähtig anstatt Massivader oder mehrdrähtig)
- Kabel kurz halten und je nach Umgebung geschirmte Kabel verwenden oder im (großflächig) geerdeten und verschlossenen Metallkanal verlegen
- Geschirmte Kabel belasten den FU stärker und müssen kürzer bleiben, ebenso steigen die Ableitströme - ob der Einsatz ungeschirmter Kabel möglich ist muss im Rahmen eines EMV-Konzepts betrachtet werden (der Einsatz von FUs aber eigentlich generell)
- Beim notwendigen Einsatz ungeschirmter Leitungen ggf. Filter vorsehen - die reduzieren die Emission, erhöhen aber den Ableitstrom weiter
- Ableitströme besonders beim FU-Anschluss betrachten, oft überschreiten FUs 3,5mA Ableitstrom und müssen dann mit min 10qmm oder mit einer redundanten Verbindung in den Schutzpotentialausgleich einbezogen werden
- Kabelschirme entsprechend großflächig erden mit direkter Verbindung zu einem Potentialausgleich auf FU-Seite, für den dezentralen Einsatz gibt es entsprechende Verschraubungen mit Bürstenkontakten

... um nur ein paar relevante Punkte zu nennen. Da infolge der hohen Ableitströme und der massiven Emission an Störfeldern eine höhere Gefährdung besteht, ist bei Installation und Planung noch mehr Vorsicht und Erfahrung erforderlich als sonst schon. (Und natürlich generell Elektrofachkräften vorbehalten).
Hallo laut&hell

Weshalb ist die Oberfläche wichtiger als der Querschnitt? Ist das dem Skin-Effekt geschuldet?
Ist der zweite Schutzleiter nicht erst ab 10mA gefordert? (EN 60204, 8.2.6)
Gibt es ein Hersteller-tool das du emfehlen kannst?

Gruß Challenger
laut&hell
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Re: Kabeldimensionierung 22kW Motor

Beitrag von laut&hell »

Hallo Challenger,

korrekt, Skin-Effekt. Daher ist z.B. für den Potentialausgleich zwischen nicht unmittelbar leitend verbunden Modulteilen (z.B. über Segeltuchstutzen) an RLT Anlagen Kupfergeflecht ggü. normalen feindrähtigen Leitern zu bevorzugen. Aderendhülsen sind hier z.B. bei den PE-Käfigklemmen tatsächlich in dem Fall mal kontraproduktiv. :D

Ab wann die Forderung normativ besteht kann ich Dir ehrlich gesagt nicht beantworten, die von mir genannte Forderung kommt aus dem Handbuch vom Dänischen Thermostathersteller. Ich ging auch davon aus, dass die "magische Grenze" hier identisch ist mit dem Höchstwert für ortsveränderliche Geräte, was Sinn ergeben würde, da der 2. bzw. vergrößerte Schutzleiteranschluss nur an ortsfesten Geräten umsetzbar ist. (wenn man natürlich aufaddierte Ableitströme mehrerer Geräte außen vor lässt).

"GEFAHR VON ERDABLEITSTROM
Die Erdableitströme überschreiten 3,5 mA. Eine nicht
vorschriftsmäßige Erdung des Frequenzumrichters kann
zu schweren oder tödlichen Verletzungen führen.
...
• Mindestkabelquerschnitt: 10 mm2 (oder 2
getrennt abgeschlossene, entsprechend
bemessene Erdungskabel)."


(Danfoss Produkthandbuch VLT FC 102 1,1-90kW)


Weitergehende große Installationsinfos kann ich Dir aber leider auch nicht geben, mein Wissen stammt auch nur aus dem Umbau unserer hauseigenen RLT-Anlagen. Da die Größe der einzelnen Anlagen hier auf 4kW Leistung pro Anlage begrenzt ist, es insgesamt nur um 10 Anlagen ging, die FU dezentral platziert wurden und direkt am Motor sitzen, RLT so ziemlich die "trägste" aller Anwendungen ist (kaum und nur sanfte Lastwechsel, infolgedessen auch z.B. kein Bremschopper der zusätzlich "stört" etc) und die FU direkt mit dem Fundamenterder verbunden werden konnten haben wir hier relativ stumpf immer die FU mit C1-Eignung nach EN 61800‑3 gewählt. Die kosten natürlich wg. der großen Drosseln deutlich mehr als C2 oder gar nur C3-Versionen, dafür ist die Störausstrahlung auch von Haus aus verhältnismäßig gering.

Bei einer größeren Anzahl an Antrieben oder einem zentralen Technikraum müsste man hier definitiv weitaus mehr Aufwand in ein sinnvolles EMV-Konzept stecken, dafür wären dann die FU wg. Ausführung in Montageplattenversion und wg. kleineren Ausgangsfiltern deutlich preisgünstiger. Hier muss man dann auch strikt geschirmte Steuerleitungen verwenden und sauber erden, sonst geht bei Ansteuerung über Feldbus relativ schnell gar nix mehr.

... Da können aber die Kollegen, die mehr in der Industrie unterwegs sind, sicher mehr dazu sagen. bier1
froebel88
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Re: Kabeldimensionierung 22kW Motor

Beitrag von froebel88 »

Moin,
Tobi P. hat geschrieben: Dienstag 16. Februar 2021, 01:28
2. Abschaltbedingung:
I_2<= 1,45*Iz (bei Schmelzsicherung ist I_2= 1,6*In)
1,6*63A<=1,45*76A
100,8A<=110,2A => zweite Abschaltbedingung wird eingehalten!
Wie kommst Du da auf 1,45 bzw. 1,6?
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Tobi P.
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Re: Kabeldimensionierung 22kW Motor

Beitrag von Tobi P. »

Moin,

die beiden Bedingungen stellen die Abschaltbedingungen zum Schutz gegen Überlast gemäß DIN VDE 0100-430:2010-10 dar. Der Faktor 1,45 ergibt sich aus DIN VDE 0100-430:2010-10-433.1 und beim Produkt aus In und dem Faktor 1,6 handelt es sich um den großen Prüfstrom der Überstromschutzeinrichtung - in diesem Fall eine Schmelzsicherung, bei einem Leitungsschutzschalter wäre der Faktor 1,45. Hinsichtlich des großen Prüfstroms wäre im Zweifelsfall das Datenblatt der Überstromschutzeinrichtung hilfreich aber für allgemeine Anwendungen rechne ich bequemerweise mit 1,45 bzw. 1,6. Die beiden Faktoren verwenden wir auch in der Meisterschule für die Leitungsberechnung.


Gruß Tobi
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SPS
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Re: Kabeldimensionierung 22kW Motor

Beitrag von SPS »

Hallo,
müsste hier nicht anstelle der Schmelzsicherung, der Einstellwert vom Motorschutzschalter / Motorschutzrelais verwendet werden
Mit freundlichem Gruß sps
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Tobi P.
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Re: Kabeldimensionierung 22kW Motor

Beitrag von Tobi P. »

Moin,

also gut, noch mal zum mitschreiben damit es auch der letzte versteht: Das war eine allgemeine Beispielrechnung für die Dimensionierung einer Leitung die in diesem Beispiel mit einer Schmelzsicherung abgesichert wurde! Da hängt irgendwas unspezifiziertes dran das einen Betriebsstrom von 53A hat und das von einer ebenfalls unspezifizierten Spannungsquelle versorgt wird. Wie man daraus jetzt auf einen Motorschutzschalter bzw. ein Motorschutzrelais kommt ist mir absolut schleierhaft denn in meiner Aufgabenstellung stand absolut nichts von einem Motor.

Auf den Originalpost bezogen: Auch hier gäbe es weder ein Motorschutzrelais noch einen Motorschutzschalter da der komplette Motorschutz inkl. thermischer Überwachung der Wicklung vom FU übernommen wird. Der muss dafür mit den Motordaten parametriert werden.


Gruß Tobi
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SPS
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Re: Kabeldimensionierung 22kW Motor

Beitrag von SPS »

Ich bezog mich auf die Eingangsfrage. Da ging es um einen Motor
Mit freundlichem Gruß sps
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Tobi P.
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Re: Kabeldimensionierung 22kW Motor

Beitrag von Tobi P. »

Moin,

aah, ok. Aber wie gesagt, den Motorschutz übernimmt in diesem Fall der FU, da gibts keinen analogen Motorschutz mehr.



Gruß Tobi
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