Alte Anlagen anschließen

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jojo088
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Alte Anlagen anschließen

Beitrag von jojo088 »

Hallo zusammen,

mich würde interessieren, was eure Meinung zu folgendem Vorgehen ist...

Eine alte Maschine läuft ohne Probleme.
Diese Maschine wird in eine neue Halle umgezogen und nun an einen Klemmkasten mit FI angeschlossen (CEE-Stecker 16A)
Nun fliegt dieser ständig raus.

Die Maschine wurde geprüft, alles io. Der hohe Ableitstrom ergibt sich aus dem FU.

Die Maschine wurde nun mit einem 10qmm PA an die PA-Schiene angeschlossen. Zudem wurde ein nicht handelsüblicher Stecker verbaut.
Alternativ hätte man auch die Maschine direkt via Festanschluss am Klemmkasten anschließen können.

Natürlich sind dann in die Maschine entsprechende FI´s verbaut worden, um die vorhandenen Steckdosen abzusichern.

Bin auf eure Meinung gespannt. bier1

Liebe Grüße
Johannes
Funker
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Re: Alte Anlagen anschließen

Beitrag von Funker »

Hatte ähnliches Problem bei einem Kunden vor ein paar Jahren,

da hilft nur Trafo vor die Maschine, danach selbständiges TN - Netz, übliche Lösung bei vor allem auch dann wenn Maschinen zu Deutschland nicht
kompatible Spannungen haben, aber auch in diesem Fall
E-Jens
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Re: Alte Anlagen anschließen

Beitrag von E-Jens »

Wie hoch ist der Ableitstrom?
Gruß Jens
Funker
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Re: Alte Anlagen anschließen

Beitrag von Funker »

PS: VdS 3501 für Anlagen mit FU empfiehlt übrigens generell in dem Fall das IT - System anzuwenden.
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mikmik
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Re: Alte Anlagen anschließen

Beitrag von mikmik »

Da gibt es zahlreiche Möglichkeiten und hier ist guter Rat teuer, besonders, was die Hardwarekosten angeht. Spontan fällt mir dazu ein:

a) RCD Typ B+ und kurzzeitverzögert:
Wenn der RCD beim Einschalten der Maschine fällt und es sich um transiente Ableitströme handelt, könnte man über einen kurzzeitverzögerten RCD nachdenken (damit meine ich nicht einen selektiven RCD). Bei Maschinen mit FU wäre RCD-Typ B+ ganz sinnvoll, ist bereits so einer verbaut? Ansonsten wäre z. B. so eine Ausführung hilfreich: (Siemens 5SV3342-4KK14, https://mall.industry.siemens.com/mall/ ... 3342-4KK14), gibt es auch von Doepke - das Problem ist, dass solche RCDs leider richtig teuer sind (der Siemens-RCD kostet ca. 600 €).

b) Hochlaufsequenz:
Wenn die RCD-Auslösung reproduzierbar beim Hochfahren der Maschine passiert, lässt sich evtl. die Inbetriebnahmesequenz überdenken.

c) Differenzstromauslöser:
Festanschluss und RCM statt RCD.

d) Leitungskapazitäten:
Lange Zuleitungen zum Motor bedeuten größere Kapazitäten zum Erdpotential, lässt sich der Leitungsweg Motor <-> FU verkürzen?

e) Filter mit Drosseln:
Verfügt der FU über einen Unterbaufilter? Wenn ja, lässt sich dieser evtl. durch eine moderne Variante mit verdrosselten Y-Kondensatoren ersetzen (ist leider teuer)

f) Flankensteilheit:
Ein Sinusfilter am FU-Ausgang könnte was bringen (auch teuer)

g) Eine Netzdrossel könnte was bringen oder

h) mal über einen neuen und moderneren FU nachgedacht?

Eine Ableitstrommessung mit einer Stromzange sollte Standard bei der Inbetriebnahme sein. Schlussendlich macht alles ab Punkt c) eine Ableitstrommessung im laufenden Betrieb und diversen Betriebszuständen nötig, wobei die meisten Strozangen bei 50 Hz messen und im Fall eines FU eine Ableitstromanalyse bis in den Kilohertzfrequenzbereich sinnvoll ist.
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mikmik
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Re: Alte Anlagen anschließen

Beitrag von mikmik »

Funker hat geschrieben: Freitag 17. April 2020, 22:49 PS: VdS 3501 für Anlagen mit FU empfiehlt übrigens generell in dem Fall das IT - System anzuwenden.
Kleiner Nachtrag: Die VdS 3501 ist frei verfügbar, sehr lesenswert und zeigt diverse Lösungsmöglichkeiten bei Problemen mit Ableitströmen auf.

Ich muss allerdings zugeben, dass ich die in Abschnitt 7.2 beschriebene Variante permanente Isolationsüberwachung in TN-Systemen mittels zentraler generatorischer Einspeisung eines Messstroms am Sternpunkt überhaupt nicht kenne. Hat das schon mal jemand irgendwo realisiert gesehen? Welche Branche macht denn sowas? Wer stellt denn solche Systeme her? (Bender?)
jojo088
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Re: Alte Anlagen anschließen

Beitrag von jojo088 »

Hallo,

danke für eure schnellen Antworten.

@Funker
Deine Idee mit dem Trafo... Ist diese als zusätzliche Alternative oder als einzige Lösung gemeint?

@E-Jens
Der Ableitstrom ist 47mA.

@mikmik
a) Das werde ich mal versuchen, danke für den Tipp
b) Leider lässt sich hier nichts ändern.
c) Werde ich mir genauer anschauen. Wobei die Differenzstrommessung ja auch auslösen müsste.
d) Die Leitung lässt sich nicht kürzen. Allerdings sind 2 - 3 m jetzt auch nicht wirklich als "Entfernung" zu betrachten
e) Nein, dieser FU hat keinen verbauten Filter
f) Ja, dies wäre ein Möglichkeit
g) Ja, das ist eine gute Idee
h) Ja, allerdings ist die Anlage schon älter, da versucht man natürlich kosten zu sparen. Allerdings ist das kein Argument, wenn es um Sicherheit geht.

Wie sieht es denn mit den getroffenen Entscheidungen aus? Gibt es hier Wiedersprüche?

Liebe Grüße
Johannes
Probator
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Re: Alte Anlagen anschließen

Beitrag von Probator »

Was spricht normativ dagegen, der Maschine einen eigenen Festanschluss zu spendieren, abgesichert nur mit Brandschutz-RCD (100 bis 300mA)?
Falls es an der Maschine Steckdosen gibt, dann halt FI/LS 30mA in den Schaltschrank.

Bei den hohen Ableitströmen ist die zusätzliche Erdungsverbindung natürlich Pflicht, aber das ändert am Ableitstrom ja nichts.
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mikmik
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Re: Alte Anlagen anschließen

Beitrag von mikmik »

jojo088 hat geschrieben: Sonntag 19. April 2020, 08:13 c) Werde ich mir genauer anschauen. Wobei die Differenzstrommessung ja auch auslösen müsste.
Nein, die RCMs werden ja vorher passend programmiert. Wenn du z. B. weißt, dass der betriebsmäßige Ableitstrom der Maschine 50 mA und das Fehlerstromlimit 30 mA ist, dann wird am RCM eine Alarm-Ansprechschwelle von 80 mA und eine Voralarmschwelle von 50 %, also 65 mA einprogrammiert. Der Historienspeicher von solchen Geräten erlaubt interessante Informationen, sodass sich Verschlechterungen protokollieren lassen.

Ein einfacher Vertreter von RCMs in TN-Systemen wäre ein einkanaliges allstromsensitives Gerät, z. B. die Linetraxx-Geräte von Bender wie das RCMA420 (Differenzstrom-Überwachungsgerät zur Überwachung von AC-, DC- und pulsierenden DC-Strömen in TN- und TT-Systemen), siehe hier https://www.bender.de/produkte/differen ... uebersicht

RCMs melden aber nur und schalten nicht, ersetzen keinen RCD an einer Steckdose - auch sind diese Geräte nicht ganz günstig (geht bei ca. 500 € los) und man muss bereit sein, sich in das Programmierhandbuch einzulesen. Wenn dich die Grundlagen zu RCMs interessieren, dann sind die Firmenschriften von Bender und die VDE-Schriftenreihe 113 (der Autor ist auch von Bender) ganz interessant:
https://www.vde-verlag.de/buecher/40364 ... lagen.html
https://www.bender.de/fachwissen/techno ... berwachung
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mikmik
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Re: Alte Anlagen anschließen

Beitrag von mikmik »

Probator hat geschrieben: Sonntag 19. April 2020, 09:37 Was spricht normativ dagegen, der Maschine einen eigenen Festanschluss zu spendieren, abgesichert nur mit Brandschutz-RCD (100 bis 300mA)?
Falls es an der Maschine Steckdosen gibt, dann halt FI/LS 30mA in den Schaltschrank.

Bei den hohen Ableitströmen ist die zusätzliche Erdungsverbindung natürlich Pflicht, aber das ändert am Ableitstrom ja nichts.
Als schnelle Lösung kann man das machen.

Aber das Ganze ist ja auch eine Frage, die in die Zukunft gerichtet ist - wir werden künftig ständig mit solchen Sachen zu tun haben. Wenn ich weiß, dass eine Maschine eher hohe Ableitströme hat, dann versuche diese unerwünschten Ableitströme über kurz oder lang, im wirtschaftlich möglichen Rahmen, entsprechend dem Stand der Technik zu reduzieren und sorge gleichzeitig dafür, dass das entsprechende Know-how und die Messmöglichkeiten bei den Elektrofachkräften vorhanden sind. Die angesprochene ältere Maschine ist eigentlich eine schöne Messübung, um die E-Mannschaft für solche Probleme und Lösungsmöglichkeiten zu schulen.

Wer sich um solche Sachen nicht rechtzeitig kümmert, hat im Worst-Case die ganze Halle voll mit Hunderten solcher Maschinen, keinen Plan, keine Messmöglichkeiten, keine Erfahrungen, dafür unerklärliche nicht reproduzierbare Phänomene, Neutralleiterüberlastungen, Streustromkorrosion. In solchen Firmen sind dann externe Sachverständige unterwegs, um das ganze Elend zu analysieren.
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