Werbebroschüre VDE 0665-10 Beiblatt 1

Hier geht es um allgemeine Normen der Elektrotechnik, Auslegungen und deren Anwendung
Elo-Ocho
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Werbebroschüre VDE 0665-10 Beiblatt 1

Beitrag von Elo-Ocho »

Moinsen,

mir ist heute, vollkommen unerwartet, eine Broschüre ins Haus geflattert, welche auf die Vorzüge und Einsatzmöglichkeiten des AFDD hinweist.

Rein haptisch, unterstützt durch den Titel "DIN EN 62606 Beiblatt 1 (VDE 0665-10 Beiblatt 1) erinnert der 21-Seiter mit bunten Bildern an eine VDE Norm.

Mir war jetzt auf Anhieb nicht bekannt, das der VDE solche Pamphlets, die jetzt Qualitativ wirklich auf dem Niveau einer Herstellerbroschüre herausgibt. Oder gab es das schon mal?

Wegen der Fairness sei drauf hingewiesen, dass eindeutig drinsteht, dass die Anforderungen zum Einsatz des AFDD aus der Normenreihe DIN VDE 0100 resultieren. Andererseits wird auch ein Beispiel geliefert, wo AFDD eingesetzt werden können, hier werden Küche, Kinderzimmer, Bad, Wohnzimmer und Schlafzimmer gezeigt. Das führt doch nur wieder zu Verwirrung.

Ich finde, es ist ruhig um den AFDD geworden. Ob dieses Beiblatt notwendig gewesen wäre, sei mal dahin gestellt.

Gruß,

Ocho

PS: Ich halte den AFDD nicht für vollkommen Blödsinn, es hat mit Sicherheit seine Daseinsberechtigung. Ich selbst habe nach wie vor noch keinen AFDD verbauen lassen.
Immer wenn ich Langweile habe, dann melde ich mich in einem Eltern-Forum an und Frage, wie weit man den Schimmel im Pausenbrot der Kinder wegschneiden sollte...
Funker
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Re: Werbebroschüre VDE 0665-10 Beiblatt 1

Beitrag von Funker »

Hallo Ocho,
ich habe das Schriftstück gestern auch mit dem Normenabo für Handwerker bekommen und abgeheftet.
Es wird eben immer wieder Versucht den Markt zu beleben.
Die VDE 0665-10 ist eine Produktnorm für die Hersteller, was der Handwerker der installiert damit zu tun hat ist völlig offen.
Die Hersteller sollten ja wissen, was diese tun.
Irgendwie muß das Handwerkerabo gefüllt werden, wenn keine anderen neuen Dinge aus der Normung kommen,
damit der VDE-Verlag zu seinem Geld kommt.
Da sieht man den Einfluß der Lobby.
Wenigstens steht da drin, daß es bei Strömen unter 2,5 A nur selten zu Fehlerlichtbögen kommt, 5. Satz 2
und daher das die Grenze ist für die genormt wird.
Langsam entstehenden Ereignissen kann also mit hoher Wahrscheinlichkeit bei der Schädigung der Isolation
aller Adern der FI mit 30 mA oder 300 mA um eine Vielfaches vorher wirken.
In dem Zusammenhang sind dann 4.1.2. Satz 2 und Satz 3 von Bedeutung, daß diese Isolationsfehler in
Gebäudeinstallationen lange unentdeckt bleiben, da sie sich langsam entwickeln, d.h. wenn kein RCD
vorhanden oder nachgerüstet ist.
Weiter interessant sind die Daten aus 2012, die man bemüht um die Angaben von 400 Brandtoten zu verifizieren.
Offensichtlich sind die Mitglieder des Gremiums nicht in der Lage eigenständig aktuelle Statistiken des Bundes wie
GBE-Bund zu bedienen. Ich lege einmal die aktuellen Werte bis 2018 bei, die ich erst vor 2 Tagen für einen Fachartikel herausgesucht habe.
Todesfaelle_elt__Rauch_1998_2015_2017_Grafik.xlsx
(91.16 KiB) 242-mal heruntergeladen
Auch die Angabe der 30 % Brände ist wohl stark strittig und liegt wohl eher bei der Hälfte dieses Wertes oder darunter.
Auch bei weiter untersetzende Zahlen bemüht man Werte aus drittklassigen Sekundärquellen anstelle das Original IFS,
da man dann ja mit angeben müßte, daß diese Wert nicht ausreichend signifikant sind, wenn nur weniger als 1 % der Brände untersucht wurden.
Glaubhaft sind dagegen durch die Aufteilung der Ursachen innerhalb der Gruppe Elektrobrände, obwohl auch hier eine Zahl fehlt.
Bei der Ursache 27 % Installation und 53 % Geräte fehlen offensichtlich 20 % Bei allenflexible Verbindungsleitungen.
Wenn man das Problem schnell lösen will geht das mit 1 % Neubau- und Rekonstruktionsrate nicht ausreichend schnell, da es 100 Jahre dauert.
Offensichtlich geht das nur schneller mit portablen FI in den Steckern von Tischverteilern und betroffenen Geräten, wie Trocknern, Waschmaschinen, Geschirrspüler o.ä..
Insofern sind die Zahlen auch guter Ansatz für die geforderten Gefährdungsbeurteilungen.

Da kann man nur immer versuchen auf die Probleme an anderer Stelle aufmerksam zu machen.

https://www.elektro.net/praxisprobleme/ ... gebaeuden/

Glücklicherweise funktioniert das noch.
DBY656
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Re: Werbebroschüre VDE 0665-10 Beiblatt 1

Beitrag von DBY656 »

Hallo Elo-Ocho, Hallo Funker,

ihr schreibt von 2 verschiedenen Schriftstücken!

Die Reklame zum AFDD wurde wohl mit Absicht zur gleichen Zeit wie die gedruckte Norm in den Umlauf gebracht.

Gruß Markus
Funker
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Re: Werbebroschüre VDE 0665-10 Beiblatt 1

Beitrag von Funker »

Ich habe mich auch auf das Beiblatt bezogen, nur benannt, daß die Norm etwas für die Hersteller ist.
Warum die dazu ein Beiblatt brauchen ist mir unklar. Vielleicht wissen sie doch nicht, was sie tun.
Ein Beiblatt zur VDE 0100 - 420 hat man sich eben nicht getraut.
DBY656
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Re: Werbebroschüre VDE 0665-10 Beiblatt 1

Beitrag von DBY656 »

Das Beiblatt dient als Hinweis für den Anwender (bzw. dem der diese Dinger verbaut) über dessen Funktionsweise.

Vom Inhalt her ähnlich einem Medikament-Beipackzettel, nur halt für ein elektrische Baugruppe :D
Trumbaschl
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Re: Werbebroschüre VDE 0665-10 Beiblatt 1

Beitrag von Trumbaschl »

Funker hat geschrieben: Donnerstag 4. Juni 2020, 11:36 Wenn man das Problem schnell lösen will geht das mit 1 % Neubau- und Rekonstruktionsrate nicht ausreichend schnell, da es 100 Jahre dauert.
Offensichtlich geht das nur schneller mit portablen FI in den Steckern von Tischverteilern und betroffenen Geräten, wie Trocknern, Waschmaschinen, Geschirrspüler o.ä..
Man müsste sich zu einer Nachrüstverpflichtung für Fehlerstromschutzschalter für alle Stromkreise in Wohngebäuden durchringen, Stichtag sagen wir mal 2030, und eine massive Werbekampagne fahren. Dann kann sich niemand beschweren, dass die Änderung so plötzlich kommt. Betreiber von Anlagen mit klassischer Nullung müssen dann eben anfangen zu sparen... in zehn Jahren sollte sich eine Neuinstallation ausgehen.
Funker
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Re: Werbebroschüre VDE 0665-10 Beiblatt 1

Beitrag von Funker »

Hallo Trumbaschel,
wie wahr, Nachrüstungsanforderungen könnten viele Probleme schneller lösen.
Die ebenfalls deutsch sprachigen Österreicher machen das vor.
Jede Wohnung muß vor Neuvermietung auf den aktuellen technischen Stand gebracht, d.h. RCD nachgerüstet und ggf. Nullung beseitigt werden.
Die Rate der Brandtoten sieht dort im Verlauf besser aus als bei uns.
Ich habe ja in offiziellen Gutachten so etwas auch schon vor 7 Jahren vorgeschlagen, z.B. für die Anwendung polarisierter Steckdosen,
auch so mit Frist 5 bis 10 Jahre, beginnend für Hotels, Altenheime und Kindergärten, auch beschränkt auf gefährdete Bereiche, Bad, Hauswirschaftsräume, Küchen.
Hintergrund :
1. die in EU vertriebenen neuen SK 1 Geräte haben inzwischen alle den Mittelkontakt mit dabei,
2. viele Länder in EU, CZ, PL, Frankreich u.s.w. haben so etwas, muß nicht neu erfunden nur die Produktion hochgefahren werden,
3. Bei Brandgefährdung sind oft Küchen und Haushaltsgerät Verlängerungen, Tischverteiler betroffen
4. benannte Einrichtungen haben seit einigen Jahren ein Konjunkurprogramm und der Bedarf reicht immer noch nicht,
da läßt sich schnell viel machen und dadurch der Markt öffnen und dann mit entsprechenden Ergebnissen die Vorteile
auch allgemein bewerben und auch baurechtlich die Nachrüstung begründen.
5. die Änderung Nachrüstung der Steckdosen könnten auch geschulte EFFT, Hausmeister, machen, allgemein kein Eingriff in Verteiler und Verdrahtung
notwendig, insbesondere dort wo schon RCD vorhanden.
Das liegt seit Jahren so bei DKE und den zuständigen Ministerien rum und wird nicht angefaßt.
Die Todesfallzahlen für Bränden sind seit 20 Jahren Stabil um 200 bis 250 trotz Rauchwarnmeldern, siehe Zahlen und Grafiken in den hochgeladenen
Tabellen. Mit Steckdosen läßt sich eben nicht so viel Gewinn machen, wie mit Brandschutzschaltern, AFDD, so daß man lieber letztere mit falschen veralteten Zahlen ohne direkte Quellenangabe in einem Normungsdokument bewirbt, anstelle mit einfachen Mitteln und Systematik versucht etwas zu
ändern.
Trumbaschl
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Re: Werbebroschüre VDE 0665-10 Beiblatt 1

Beitrag von Trumbaschl »

Streng genommen ist neben der Überprüfung bei Mieterwechsel nur die Nachrüstung von FIs mit 30 mA für alle Stromkreise in Wohnungen, deren Vermietung dem Mietrechtsgesetz unterliegt, vorgeschrieben. Zu prüfen ist nach den einschlägigen Normen und den Vorgaben des Elektrotechnikgesetzes, also eigentlich nach den Normen zum Zeitpunkt der Errichtung. Eine Nachrüstung der gesamten Installation ist also eigentlich nur dann notwendig, wenn diese entweder nicht mehr den Normen zum Errichtungszeitpunkt entspricht (sehr beliebt: Steckdosen ohne Schutzkontakt, aber Zentralheizung mit leitfähigen Rohrleitungen) oder - aufgrund klassischer Nullung - der Einbau eines FI-Schalters nicht möglich ist.

Die Forderung nach eindeutig gepolten Steckdosen kann ich allerdings schwer nachvollziehen. Das größte Gefahrenpotenzial einer L-N-Vertauschung ergibt sich bei Verbrauchern mit potenziell berührbaren Metallteilen, insbesondere Leuchten mit E-Fassung und Toastern. Toaster sind seit Jahrzehnten (zuletzt habe ich einen Rowenta aus der ersten Hälfte der 1980er zerlegt) häufig mit zweipoligen Schaltern ausgestattet und Edison-Fassungen werden mit dem LED-Boom zunehmend seltener. Außerdem sind Steh- und Tischleuchten sehr häufig schutzisoliert und daher mit Eurosteckern ausgestattet, die in keiner Steckdose verpolungssicher sind.

Eine Brandgefahr sehe ich auch nicht unbedingt. Sollte tatsächlich vor einer einpolig geschalteten flexiblen Leitung eine einpolige Absicherung vorhanden sein, ist ein Kurzschluss unmöglich und bei einem Erdschluss löst der FI-Schalter aus, obwohl der Schalter und die Gerätesicherung im N liegen. Aber wie oft findet man Gerätesicherungen vor beweglichen Leitungen? Im Normalfall sitzen diese im Inneren von Geräten und bei einer Beschädigung des Geräts gilt wieder die obige Aussage.

Kurz: ich sehe kaum Sicherheitsgewinne durch einen enorm aufwändigen Austausch aller Steckdosen. Der noch dazu den Austausch der meisten wiederanschließbaren Stecker erfordert und durch Verwendung von Verlängerungen und Mehrfachsteckdosen problemlos ausgehebelt werden kann. Ich kenne jemand, der als Diebstahlssicherung eine tschechische Steckdosenleiste benützte - der Stecker passte in Schukosteckdosen und alle Werkezeuge mit Konturenstecker ließen sich problemlos verwenden, aber ein potenzieller Dieb - so die Hoffnung - wüsste das nicht und würde die Leiste liegen lassen.
Funker
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Re: Werbebroschüre VDE 0665-10 Beiblatt 1

Beitrag von Funker »

Hallo Trumbaschl,
Danke für die Präzisierung zur Nachbesserung der Wohnungen in Österreich, wie Du schon schreibst, wenn dann noch andere nicht passende Installationssysteme da sind wird die Baumaßnahme größer.
Die Forderung gibt es in Deutschland leider so nicht und daher auch noch viel klassische Nullung auch in großen Wohnungsgenossenschaften,
ohne daß jetzt weiter ausdehnen zu wollen.
Damit greift der FI und dazu passende moderne Installation in OE schneller als in Deutschland.
Nach meinem Kenntnisstand gab es in OE vor ca. 20 Jahren noch um 70 Brandtote und jetzt wohl nur noch um 25.
Das ist wohl ein Erfolg der Nachrüstung.

Zu den Fragen mit den gepolten Steckdosen, ich habe mich da auch in einigen anderen Ländern umgesehen.
Da gibt es z.B. in den Steckern eingebaute Feinsicherungen mit kleineren Werten als die üblichen 16 A der LS in der Verteilung.
Damit wird Überlast und Kurzschluß schneller erkannt und dann wirklich auch in der Verlängerung die Phase geschaltet.
Wie Du schon schreibst, wird das Prinzip dort auch in den Verteilerleisten mit dem Mittelkontakt weitergeführt.
Wer wirklich an den Entscheidungsstellen Sicherheit will, daß mehr Sicherheit gewünscht wird, darf sich solchen Tendenzen nicht verschließen.
Funker
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Re: Werbebroschüre VDE 0665-10 Beiblatt 1

Beitrag von Funker »

Als Ergänzung zu meinen letzten Zahlen einmal die dazugehörige Quelle als .pdf

So schöne aktuelle und offizielle Übersichten findet man in Deutschland nicht.
Dateianhänge
brandschadenstatistik_bundesweit_2016_einzelseiten.pdf
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