Überspannungsschutz in Industriebauten

Hier geht es um allgemeine Normen der Elektrotechnik, Auslegungen und deren Anwendung
IH-Elektriker
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Re: Überspannungsschutz in Industriebauten

Beitrag von IH-Elektriker »

Josupei hat geschrieben: Freitag 1. Februar 2019, 09:17 Da die Anlage sehr verteilte Komponenten versorgt (z.B. Pumpen), z.T. auch in anderen Räumen bzw. teilweise sogar frei zugängliche Steckdose für Service ist eine eingeschränkte Sicht auf die 0113-1 aus meiner Sicht nicht vertretbar.
Auch dann gilt die EN60204-1, auch wenn es Servicesteckdosen gibt. Auch wenn Maschinenteile wie Pumpen räumlich getrennt montiert werden. Die Maschinenrichtlinie und die EN60204-1 bzw. VDE0113-1 gelten für eine Vielzahl von Maschinen. Das geht von der ortsfesten Tischkreissäge für 350€ über die „üblichen“ Werkzeugmaschinen (Drehbank, Fräsmaschine….) bis hin zu beispielsweise komplette Pressenstraßen im Karosseriebau oder auch Walzwerke im Stahlwerk welche komplette (große) Hallen füllen können und deren Anschaffungspreis im zweistelligen Millionenbereich liegen können. Das mag für den einen oder anderen nicht Verständlich sein, so ist aber die aktuelle Vorschriftenlage...

Es kann daher Sinn machen quasi als Add-On zusätzliche Forderungen an den Maschinenlieferanten zu stellen, beispielhaft sei hier der RCD auch für Servicesteckdosen genannt (welcher aktuell Stand Heute in der EN60204-1 nicht gefordert ist). Solche Forderungen muss man allerdings da nicht normativ erfasst mit dem Maschinenhersteller absprechen und auch entsprechend so fordern bzw. bestellen.

Tut man das nicht und stellt sich bei der Inbetriebnahme der gelieferten Anlage als EFK auf die Hinterfüße und bemängelt diverse Punkte so geht das in die Hose – wenn sich der Maschinen- bzw. Anlagenhersteller weigert hier nachzubessern hat er im Endeffekt Recht. Also vorher absprechen ;)

Wen ein Anlagenhersteller freiwillig mehr macht wie gefordert – dann ist das natürlich schön….
Elo-Ocho
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Re: Überspannungsschutz in Industriebauten

Beitrag von Elo-Ocho »

IH-Elektriker hat geschrieben: Freitag 1. Februar 2019, 11:04 ...
Wen ein Anlagenhersteller freiwillig mehr macht wie gefordert – dann ist das natürlich schön….
Wobei das natürlich nur bei Abrechnung nach "Stück Maschine mit Alles" gilt.

Weil bezahlt wird nur, was bestellt wurde...

Ocho
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Josupei
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Re: Überspannungsschutz in Industriebauten

Beitrag von Josupei »

Wenn ich heute noch Steckdosen, die ggf. auch Laien bedienbar sind an eine Maschine baue, ohne RCD, oder die in der 0113-1 angegebenen 5s Abschaltzeit für fest installierte Endstromkreise anwende und dann etwas passiert, ist auch immer die Frage, wie ein Richter das im Sinne der notwendig zu erstellenden Risikoanalyse und dem Stand der Technik auslegt, wenn man Bezug auf eine 12 Jahre alte Norm und der dort geforderten technischen Umsetzung nimmt.

Zudem sehe ich es auch so, Schaltanlage ca. 40-50k€
RCD mit Einbau 35€.
SPD mit Vorsicherung 200€.

Das kann einem Personenschutz schon Wert sein.

ÜS-Schutzkonzepte können wir hier selber nicht erstellen, und wollen wir auch nicht, da nicht unser Beritt.

Mutmaßlich ist der Einbau eines SPD Typ2 fast günstiger als jedesmal in Klärung zu gehen, ob dieser benötigt wird oder nicht. :-)

Gruß
Josupei
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Wulff
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Re: Überspannungsschutz in Industriebauten

Beitrag von Wulff »

Pragmatische Lösungen sind doch gut.
IH-Elektriker
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Re: Überspannungsschutz in Industriebauten

Beitrag von IH-Elektriker »

Josupei hat geschrieben: Freitag 1. Februar 2019, 12:31 ….ist auch immer die Frage, wie ein Richter das im Sinne der notwendig zu erstellenden Risikoanalyse und dem Stand der Technik auslegt, wenn man Bezug auf eine 12 Jahre alte Norm und der dort geforderten technischen Umsetzung nimmt.
Vor Gericht und auf hoher See….selbst wenn die Norm brandneu wäre weißt Du nicht wie ein Richter entscheidet. Und wie gut der Sachverständige ist der den Richter berät bzw. wie der Richter die Aussagen des SV interpretiert und bewertet…. ;)

Aber mal ganz abgesehen davon, ich möchte nicht der Witwe und den Kindern eines tödlich verunfallten Mitarbeiters gegenüberstehen und ihr erklären müssen das nur weil es ein paar Euros billiger war und eine „Lücke“ in einer überalterten Norm existiert der Vater ums Leben kam. Vor allem eben weil es alles keine teure Raketentechnik ist, sondern eigentlich Stand der Technik.

Entweder man sichert Steckdosen an Maschinen ordentlich mit RCD ab oder man verbaut einfach keine (laienbedienbaren) Steckdosen offen an Maschinen. Eine Ausnahme macht vielleicht noch eine Servicesteckdose im Schaltschrank – den Schaltschrank dürfen (theoretisch) nur Leute öffnen welche entsprechend beurteilen können sollten ob die eingesteckten Geräte „sicher“ sind – aber auch dann kann durchaus der Staple bzw. Hubwagen eine Verlängerungsleitung beschädigen. Oder auch Laien den Schrank aufmachen – kann man das private Smartphone beim Laden wenigstens einsperren ;)

Oder selbst wenn – es ist einfach sicherer wenn auch interne Servicesteckdosen mit RCD abgesichert sind. Also sollte man auch da keine Ausnahme machen.

Das Problem ist halt das viele Maschinenlieferanten die Herstellkosten um jeden Preis drücken wollen um möglichst billig zu sein. Und da dann gerne mal sparen, vor allem bei auf den ersten Blick so „unnötigen“ Dingen wie einem oder mehreren RCDs ;)
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