DGUV Info Ableitströme: Verweis auf 60204

Hier geht es um allgemeine Normen der Elektrotechnik, Auslegungen und deren Anwendung
IH-Elektriker
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Re: DGUV Info Ableitströme: Verweis auf 60204

Beitrag von IH-Elektriker »

Gelbschnalbel hat geschrieben: Sonntag 16. Dezember 2018, 20:40 Ich bin der Meinung, dass wir als Hersteller aber auch die Ableitströme am Schutzleiter des (Haupt-)Schaltschrankes angeben müssten. Was vorraussetzt das wir das entweder bei der Erprobung messen oder aber auch in irgendeiner Form berechnen (z.B. Addition aller von den einzelnen Komponenten abgegebenen und von den Komponentenherstellern angegebenen Ableitströme) und anschließendem anbringen des von der 60204-1 8.2.8 geforderten Hinweises.
Schauen wir uns die EN60204-1 mal genau an – unter 8.2.8 findet sich folgendes:

Wo elektrische Ausrüstung an irgendeinem Netzanschluss einen Erdableitstrom (z. B. elektrische Antriebssysteme für regelbare Drehzahl oder Ausrüstung für Informationstechnik) von mehr als AC oder DC 10 mA hat, muss (müssen) eine oder mehrere der folgenden Bedingungen für das Schutzleitersystem erfüllt werden…

Weiterhin steht etwas weiter unten in der EN60204-1 unter dem gleichen Punkt:

Zusätzlich muss ein Warnschild in der Nähe des PE-Anschlusses vorgesehen werden und, wo notwendig, auf dem Typenschild der elektrischen Ausrüstung. Die unter 17.2 b)1) zur Verfügung gestellte Information muss Informationen über den Ableitstrom und den Mindestquerschnitt des externen Schutzleiters enthalten.

Da hier auf 17.1 b)1) verwiesen wird auch nochmal dieser Punkt (Punkt 17 behandelt die Dokumentation):

b) ergänzende Dokumente, die einschließen:
1) eine klare, umfassende Beschreibung der Ausrüstung, der Errichtung und Montage sowie des
Anschlusses an die elektrische(n) Versorgung(en);


Somit müsste – falls der Ableitstrom größer als 10mA ist – ein Warnschild vorhanden sein, ggf. ein Hinweis am Typenschild und in der Dokumentation muss Bezug genommen werden. Hier muss klar der Querschnitt des Schutzleiters angegeben werden, inwieweit der tatsächliche Ableitstrom angegeben werden muss wird hier nicht eindeutig erwähnt. Ebenso der Hinweis am Typenschild – auch hier kann ich mehr oder weniger „frei“ interpretieren wie diese Angabe aussieht.

Das die Angabe des tatsächlichen Schutzleiterstromes sinnvoll ist sei mal dahingestellt, wie jetzt die tatsächliche Ausführung aussehen könnte und müsste dürfte eigentlich klar sein – mindestens ein Hinweis, idealerweise natürlich mit einem Zahlenwert.

Jetzt sehen wir uns mal die Realität an: Es werden munter & lustig Umrichter und Antriebssysteme bzw. Netzfilter verbaut welche in Summe mehr als 10mA Ableitstrom haben, aber nur ein kleiner Bruchteil aller Hersteller gibt dies am Typenschild und in der Dokumentation an.

Insofern ist es zu begrüßen wenn sich ein Hersteller dieser Thematik annimmt !

Und gleich weiter mit der Realität: bei Maschinen mit Festanschluss ist oftmals der Schutzleiterquerschnitt sowieso größer als 10mm² oder wenn nicht ist es auch kein Problem einen zweiten Schutzleiter extra zu verlegen.

Problematisch wird das bei Maschinen mit Steckanschluss. Hier gibt es am Markt keine passende Steckverbindung, es müsste also immer ein „extra“ Schutzleiter mitgeführt und per Erdklemme o.ä. angeschlossen werden. Selbst wenn der Hersteller „normkonform“ an seiner Maschine eine Klemme anbringt, ggf. sogar den zusätzlichen PE als Leitung mitliefert – nachdem die Maschine auch „ohne“ läuft wird der zusätzliche Schutzleiter in der Praxis von dem Personal (i.d.R. elektrotechnische Laien) welche die Maschine i.d.R. nutzt (und daher auch per Steckverbinder ab-/anklemmt) gekonnt ignoriert werden. Die Maschine läuft ja auch ohne !

Meiner Meinung nach hat man hier beim erstellen der EN60204-1 ein in der Praxis nicht umsetzbares Flickwerk geschaffen. Wobei meiner Infolage nach hier in der Überarbeitung der Norm wohl nachgebessert wurde. Jetzt müsste die Norm nur noch mal veröffentlicht werden, im Entwurfsportal ist jetzt zumindest die -1-100 mit lokalen (deutschen) Anpassungen erschienen, die Hoffnung auf eine neue EN60204-1 in 2019 wächst also ;)
Funker
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Re: DGUV Info Ableitströme: Verweis auf 60204

Beitrag von Funker »

Vielleich damit das nicht untergeht einmal wie schon beschrieben auf den neunen Normenentwurf zu EN 60204 , d.h. VDE E 0113-1-100 : 2019 - 1
mit Erscheinung 03.12.2018
Josupei
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Re: DGUV Info Ableitströme: Verweis auf 60204

Beitrag von Josupei »

Das Problem besteht ja darin, das z.B. Frequenzumrichter Hersteller, Betriebsströme auf den Schutzleiter ableiten, wo diese nach Norm nichts zu suchen haben, da dieser den Fehlerströmen vorbehalten ist.

Gruß
Josupei
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Re: DGUV Info Ableitströme: Verweis auf 60204

Beitrag von IH-Elektriker »

Josupei hat geschrieben: Dienstag 18. Dezember 2018, 09:50 Das Problem besteht ja darin, das z.B. Frequenzumrichter Hersteller, Betriebsströme auf den Schutzleiter ableiten, wo diese nach Norm nichts zu suchen haben, da dieser den Fehlerströmen vorbehalten ist.
Die Hersteller von Frequenzumrichtern schieben das Problem ab auf den Maschinenhersteller welcher den Umrichter verbaut - soll er sich darum kümmern. Und der Hersteller schiebt das ganze ab auf den Anwender - soll der einen zweiten bzw. passenden Schutzleiter bauseits zur Verfügung stellen.Und das ist dann alles normgerecht und einwandfrei - aber eher unbefriedigend.

Wobei es oftmals nicht einzelne Frequenzumrichter sind, sondern die Ansammlung mehrerer Umrichter mit sich addierenden Fehlerströmen. In modernen Maschinen finden sich ja immer mehr Umrichter um die Funktionalität zu gewährleisten, aber auch immer mehr Umrichter um die geforderte Energieeffizienzklasse zu erfüllen....

Betreffend dem Entwurf der EN60204, meinem Stand nach wurde hier im 2014er Entwurf kräfig angepasst um eine normative Lösung für Maschinen mit erhöhten Ableitströmen zu schaffen welche auch in der Praxis umsetzbar ist. Den genauen Text habe ich nicht mehr im Kopf, müsste erst nachforschen, 2014 ist schon ein bisschen her ;)
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