Der PEN-Leiter

Hier geht es um allgemeine Normen der Elektrotechnik, Auslegungen und deren Anwendung
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-Claus-
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Der PEN-Leiter

Beitrag von -Claus- »

Hallo
Über klassische Nullung haben wir schon viel diskutiert. Aber den grün-gelben Leiter haben wir offenbar nicht so richtig betrachtet.
Für nachstehende Betrachtung hätte ich gern eure Meinung.

1. Die Definitionen
Gemäß DIN VDE 0100-200 wird der PEN-Leiter wie folgt definiert:
a) 826-13-25 PEN-Leiter, m
„Leiter der zugleich die Funktion eines Schutzerdungsleiters und eines Neutralleiters erfüllt. [IEV 195-02-12]“
Für den Neutralleiter gilt gemäß Norm:
b) 826-14-07 Neutralleiter, m
„Leiter, der mit dem Neutralpunkt elektrisch verbunden und in der Lage ist, zur Verteilung elektrischer Energie beizutragen. [IEC 195-02-06]“

Wenn auch nicht gleich sichtbar, so sind für den PEN-Leiter 2 Probleme/Fehler zu benennen.
1. Gemäß DIN VDE 0100-200 ist der PEN-Leiter kein aktives Teil/Leiter.
c) 826-12-08 aktives Teil
„Leiter oder leitfähiges Teil, der/das dazu vorgesehen ist, im üblichen Betrieb unter Spannung zu stehen, einschließlich eines Neutralleiters, vereinbarungsgemäß jedoch nicht eines PEN-Leiters, PEM-Leiters und PEL-leiters. [IEC 195-02-19]
Anmerkung: Leiter, die aktive Teile sind, werden als aktive Leiter bezeichnet.“
Dies widerspricht den Definitionen nach a) und b).
Erstens kann/sollte man nicht technische Parameter beliebig zur Anwendung bringen (elektrische Energie/Spannung) und zweitens ist b) nach a) Bestandteil der Leiter-Definition. Hierzu wäre noch zu bedenken, dass dem Neutralleiter (aktiver Leiter) die Funktion des Schutzerdungsleiters ohne materiellen Zuwachs zugeschlagen wurde. Es wurde also ein aktiver Leiter mit einer zusätzlichen Funktion belegt, die den Wegfall der Einstufung als aktiver Leiter nicht rechtfertigt.
2.Die Definition des PEN-Leiters nach a) ist fachlich nicht vollständig.
Gemäß DIN VDE 0100-540 wird der PEN-Leiter wie folgt beschrieben:
„543.4 PEN-Leiter
PEN-Leiter dürfen nur in fest installierten Anlagen verwendet werden und sie müssen aus mechanischen Gründen einen Leiterquerschnitt von mindestens 10 mm² Cu oder 16 mm² Al besitzen.“
Nur mit dem zusätzlichen Abstellen auf den vorgegebenen Querschnitt kann die PEN-Leiter-Definition Geltung nach a) erlangen. Die Frage nach der Beurteilung von Leitern als Neutralleiter mit Schutzleiterfunktion (z.Bsp. klassische Nullung) mit einem Querschnitt von < 10 mm² Cu bzw. < 16 mm² Al kann mit der Einführung einer neuen Leiterbezeichnung N(PE) beantwortet werden. Eine klare Unterscheidung ist damit gegeben.
Gleichzeitig müsste dann nicht mehr nach DIN VDE 0100-410 der letzte Satz im Pkt. 411.4.3 beachtet werden.
„In den PEN-Leiter darf keine Schalt- oder Trenneinrichtung eingesetzt werden.“
Mit einer neu eröffnenden Forderung „Stromkreise mit N(PE)-Leiter dürfen nur allpolig geschalten/getrennt werden“ wäre dann z.Bsp. die Verwendung von RCD‘s, als zusätzliche Schutzeinrichtung, möglich. Eventuelle Fehlauslösungen bei Verwendung von SK I – Geräten in Endstromkreisen würde dann sogar nebenher der Bereitschaft zur Neuinstallation des Stromkreises nach aktuellem Stand förderlich sein.
Funker
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Beitrag von Funker »

-Claus- hat geschrieben:Hallo
1. Gemäß DIN VDE 0100-200 ist der PEN-Leiter kein aktives Teil/Leiter.
c) 826-12-08 aktives Teil
„Leiter oder leitfähiges Teil, der/das dazu vorgesehen ist, im üblichen Betrieb unter Spannung zu stehen, einschließlich eines Neutralleiters, vereinbarungsgemäß jedoch nicht eines PEN-Leiters, PEM-Leiters und PEL-leiters. [IEC 195-02-19]
Anmerkung: Leiter, die aktive Teile sind, werden als aktive Leiter bezeichnet.“


Das Problem ist eben kein Deutsches, sondern ein Internationales, siehe der Verweis auf die IEC.
Man müßte die Kollegen erst einmal dazu bringen, daß man bei "unter Spannung zu stehen" auch auf den Strom reflektiert oder die vereinbarungsgemäße Äußerung zum PEN wegläßt.
Das sehe ich derzeit leider nicht.
Also bleibt für die Praxis immer nur darauf zu verwiesen, daß bei einem mit 100 A stromdurchflossenen PEN von z.B.1 m Länge und 100 qmm ca. 0,02 V Spannung abfallen und das eben auch eine Spannung ist, da die Definition keine Spannungshöhe vorgibt.
In geerdeten Netzen ist der PEN daher bei mir auch immer ein aktiver Leiter
und muß isoliert gegenüber anderen leifähigen Teilen aufgebaut werden.
Letzteres ist wohl das entscheidende. Wenn man das überall hinbekommt,
wird sich vielleicht auch etwas an den Formulierungen tun.
jf27el
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Beitrag von jf27el »

Ihr habt aber das Paradoxon der Schalter nicht vergessen.

1 pol Schaltung in unseren Netzen ist nur durch eine "sichere Verbindung" von N und PE zulässig.

Bedeutet eigentlich, dass schon beim Mit-Abschalten des N -nach meiner Ansicht- 2pol. Lichtschalter verbaut werden müssten.
---- Das passiert bei jedem Hauptschalter! Ist dahinter der N noch sicher verbunden?
„Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind.“ (I.Kant)
Funker
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Beitrag von Funker »

jf27el hat geschrieben:Ihr habt aber das Paradoxon der Schalter nicht vergessen.

1 pol Schaltung in unseren Netzen ist nur durch eine "sichere Verbindung" von N und PE zulässig.

Bedeutet eigentlich, dass schon beim Mit-Abschalten des N -nach meiner Ansicht- 2pol. Lichtschalter verbaut werden müssten.
---- Das passiert bei jedem Hauptschalter! Ist dahinter der N noch sicher verbunden?

"sichere Verbindung" von N und PE" - Gegen die hat ja keiner etwas.

Ich frage mich nur inwieweit, sich das dadurch verschlechtert, daß man den PEN als "aktiven" Leiter bezeichnet. Dadurch wurde noch an keiner Schraube gedreht und nichts gelockert.

Da halte ich die gerade erläuterte Mischung von Netzabschnitten nach

https://www.elektropraktiker.de/nc/fach ... schnitten/

für wesentlich unübersichtlicher und gefährlicher.

Die Begründung lautet dann dort

"Da der Schutz gegen elektrischen Schlag Vorrang haben muss, sollte der Anfragende nicht einen Schutzleiter (PE) vom Neutralleiter abtrennen, sondern einen Neutralleiter vom PEN-Leiter abzweigen"

Das ist wieder der Äpfel und Birnenvergleich.

Wenn schon müßte der Satz lauten :

Da der Schutz gegen elektrischen Schlag Vorrang haben muss, sollte der Anfragende nicht einen Schutzleiter (PE) vom PEN-Leiter abtrennen, sondern einen Neutralleiter vom PEN-Leiter abzweigen.

Warum der erste Fall ein geringere Vorrang gegen elektrischen Schlag sein soll, wenn man wie hier von Verteilungsstromkreisen spricht, d.h. wie von Claus angegeben > 10 qmm Cu oder > 16 qmm Al konnte mir bisher auch keiner nachweisen.

Es kommt dann immer das Beispiel mit der "grobfahrlässig" vergessenen
N - PE Verbindung (Brücke).

Fairerweise muß man das dann auch für beide Varianten zulassen und dann fliegt einem wegen des schwebenden N in allen nachgeordneten Verteilern
im TN - S Netz heute bei der zweiten Variante sämtliche Elektronik aller Stand By Geräte um Ohren mit sofortiger Brandentstehung.

Wenn der Hauptschalter aus ist, auch wenn vierpolig, dann ist alles was dahinter befindlich ist für den Moment nicht nutzbarer Elektroschrott.
Für alle SK 1 Geräte gibt es ja dann nach wie vor den PE um gegebenenfalls
Induktionen abzuleiten.
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-Claus-
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Beitrag von -Claus- »

jf27el hat geschrieben:Bedeutet eigentlich, dass schon beim Mit-Abschalten des N -nach meiner Ansicht- 2pol. Lichtschalter verbaut werden müssten.
NEIN
1.Meine Betrachtung berührt nur Altanlagen. Da ist eine Umrüstung nicht gefordert. Das Abstellen auf allpolige Abschaltung würde aber den zusätzlichen Schutz durch RCD erlauben.
2.Eine TN-C-Erweiterung der Anlage (auch bei noch so kleiner Verteilung) ist ja nur mit Mindestquerschnitten nach DIN VDE 0100-540 543.4.1 zulässig.

edit: rot korrektur (man sollte eben immer noch mal nachlesen)
ego11
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Beitrag von ego11 »

Verstehe das Problem was hier diskutiert werden soll nicht?

Auch ein Neutralleiter steht übrigens in DE vereinbarungsgemäß nicht unter Spannung(gegen Erde) und brauch somit nicht mitgeschaltet zu werden.
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-Claus-
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Beitrag von -Claus- »

ego11 hat geschrieben:Verstehe das Problem was hier diskutiert werden soll nicht?
Es ist der Widerspruch in den Definitionen.
ego11
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Beitrag von ego11 »

Was wiederspricht sich denn da?
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-Claus-
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Beitrag von -Claus- »

ego11 hat geschrieben:Was wiederspricht sich denn da?
Dann beantworte doch die Frage:
Ist der PEN-Leiter ein aktiver Leiter, ja oder nein?
Trumbaschl
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Beitrag von Trumbaschl »

Fairerweise muß man das dann auch für beide Varianten zulassen und dann fliegt einem wegen des schwebenden N in allen nachgeordneten Verteilern
im TN - S Netz heute bei der zweiten Variante sämtliche Elektronik aller Stand By Geräte um Ohren mit sofortiger Brandentstehung.
Nicht zwangsläufig - in der Praxis knallt es bei schwebendem Sternpunkt durchaus nur kurz und die Geräte sind defekt, ohne in Flammen aufzugehen. Selbstverständlich kann ein Brand entstehen, aber es muss nicht.
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