Alte VDE-Ausgaben

Hier geht es um allgemeine Normen der Elektrotechnik, Auslegungen und deren Anwendung
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kabelmafia
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Beitrag von kabelmafia »

Moin,

na dann werde ich mal sehen, was ich an offizieller Stelle erfahre. Kann erfahrungsgemäß ein paar Wochen dauern...
Grüner L ja, aber N? Es geht ja um die Ausführung von L und N in beliebiger gleicher Farbe
Wenn alle Außenleiter eine Farbe haben, und der Neutralleiter eine andere (mal abgesehen vom Schutzleiter) könnte ich das bei einem gewissen nachweislichen Anlagenalter noch vertreten (in Anlehnung an die Anmerkung 5).
Auch in den späten 20er Jahren war die Verwendung von NGA unter Putz ohne Schutzrohr unzulässig.
VDE 16.Auflage (1929) hat geschrieben: Errichtungsvorschriften für Starkstromanlagen (VES) vom 1.Juli 1924 an
§ 21 g) Isolierte Leitungen ohne metallene Schutzhülle dürfen entweder offen auf geeigneten Isolierkörpern oder in Rohren verlegt werden. ...
Anmerkung 8:
Leitungen sollen in der Regel so verlegt werden, daß sie ausgewechselt werden können.
Gummiaderleitungen und alles andere zur festen Verlegung geeignete wurden in der "Vorschrift für isolierte Leitungen in Starkstromanlagen (V.I.L. / 1928) genormt. NGA und & gab es damals schon nur in 1,5 mm² und größer. Stromkreise in Wohnräumen sollten thunlichst mit mindestens 6 A abgesichert werden.
Der Strom kann ruhig bunt sein-ohne Kabel nützt das nix.
Bild: NAKBA 3x95/50sm 0,6/1kV VDE U 0250:1936
Dieser Beitrag wurde mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt und basiert auf fundierten Kenntnissen der elektrotechn. Regelwerke. Er ist eine pers. Interpretation des Autors. Etwaige rechtliche Empfehlungen und Hinweise sind unverbindlich, eine Rechtsberatung findet nicht statt.
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Bödeker, Klaus
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Beitrag von Bödeker, Klaus »

Frohe Ostern an Euch Altertumsforscher.
Versucht doch mal Euch das Buch "Einführung VDE 0100" von W.Rudolph (VDE-Reihe Nr. 39. letzte Ausgabe 1999)zu beschaffen.
Dort findet Ihr im Abschnitt Kennzeichnung sicherlich einige interessante Informationen.
Gruß KlausBö
Trumbaschl
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Beitrag von Trumbaschl »

Wenn alle Außenleiter eine Farbe haben, und der Neutralleiter eine andere (mal abgesehen vom Schutzleiter) könnte ich das bei einem gewissen nachweislichen Anlagenalter noch vertreten (in Anlehnung an die Anmerkung 5).
Nein, eben nicht!
Die übliche Vorgehensweise bei Wechselstromkreisen war die Verwendung von lauter gleichfarbigen Adern, nur der Schutzleiter war extra gekennzeichnet (falls vorhanden). Beispielsweise liegen dann zu einer Steckdose ohne Schutzkontakt zwei weiße Adern oder zwei grüne, oder zu einer Schukosteckdose grün, grün und rot. Bei Drehstrom war - so überhaupt vorhanden - der N tendenziell grau, habe aber auch schon 4 violette oder 4 gelbe Adern gesehen. Ganz pikant wird es dann bei 4 gelben und einer nachträglich eingezogenen gelb-grünen Ader.
Siehe angehängte Fotos, so sieht das noch in so mancher Altbauwohnung aus. Die Zuleitung vom Zähler zum Hauptverteiler war in der selben Wohnung schwarz, grau und rot (sw und gr 4 mm2, rt 1,5).
Auch in den späten 20er Jahren war die Verwendung von NGA unter Putz ohne Schutzrohr unzulässig.
In Deutschland. Die VDE galt in Österreich aber vor dem Krieg nicht, die wurde erst nach dem Anschluss März 38 irgendwann verpflichtend. Vorher (ab 1926) galt eine österreichische Norm unbekannten Inhalts (die EVW 1). Solange ich die nirgends auftreibe, wird dieses Thema für Installationen von vor 1938 also wohl ungeklärt bleiben.
Dateianhänge
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kabelmafia
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Beitrag von kabelmafia »

Moin,

schöne Bilder - die gefallen mir!
Die übliche Vorgehensweise bei Wechselstromkreisen war die Verwendung von lauter gleichfarbigen Adern, nur der Schutzleiter war extra gekennzeichnet (falls vorhanden). Beispielsweise liegen dann zu einer Steckdose ohne Schutzkontakt zwei weiße Adern oder zwei grüne, oder zu einer Schukosteckdose grün, grün und rot. Bei Drehstrom war - so überhaupt vorhanden - der N tendenziell grau, habe aber auch schon 4 violette oder 4 gelbe Adern gesehen. Ganz pikant wird es dann bei 4 gelben und einer nachträglich eingezogenen gelb-grünen Ader.
Also im Bereich der VDE war das so nie gedacht. Ein geerdeter Leiter musste grundsätzlich erkennbar sein. Ich habe heute lange darüber nachgedacht, wie ich mit einer solchen Wohnungsinstallation umgehen würde. Ich schwanke zwischen "sofort stilllegen" und "umgehend sanieren lassen".

Ich bin daran die EVW 1 irgendwo greifbar zu bekommen, doch so einfach ist da in der Tat nicht...

@ KlausBö
In der VDE-SR 39 sind schöne Hintergrundinfos und gute Geschichten drin - leider spiegeln auch sie fast nur die Lage in der VDE wieder... oder hab ich was übersehen?
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Bild: NAKBA 3x95/50sm 0,6/1kV VDE U 0250:1936
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Trumbaschl
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Beitrag von Trumbaschl »

Offenbar war die Vorgehensweise aus dem 127/220-V-Netz gängig und wurde kurzerhand auch im 220/380-V-Bereich angewendet. Systematische Kennzeichnung des geerdeten Leiters gab es definitiv erst ab der Einführung von sw-bl-ge/gn. Außerdem findet man noch Anlagen aus der kuriosen Übergangsperiode mit grauem N und gelb-grünem PE (ab etwa 1965 und dann "weil die Anlage schon in Planung war" bis in die 70er angewendet). Bei konsequenter Umsetzung müsste man also wohl mindestens (fast) alle Anlagen des Errichtungszeitraums 1938-1965 stilllegen.

Die TAEV (so eine Art Kurzzusammenfassung der einschlägigen ÖVE-Normen, herausgegeben vom Verband der Elektrizitätsversorger) erwähnt, dass es in solchen Anlagen üblich war, den N mit einer eigenen Schmelzsicherung abzusichern und das nicht mehr statthaft ist, sondern bei jeder Änderung nach Möglichkeit auf aktuellen Stand zu bringen.

Real wurde bei uns 2003 die Zählerzuleitung erneuert (wieder Wechselstrom) und abgesichert wurde das wie gehabt mit zwei Diazedsicherungen 20 A. Zählerschleifenquerschnitt 10 mm2 Cu. Lediglich eine Berührungsschutzabdeckung wurde nachgerüstet (1998 bis 2005 vorgeschrieben, ab dann mussten die Kästen gegen welche mit Neozedsockeln getauscht werden, die Wienstrom akzeptiert nur mehr D02 und NH als Vorzählersicherung).

Ganz besonders kurios fand ich die erwähnte Wohnung von 1960, die drei Stromkreise hatte (2x Allgemeinstrom, 1x Heizstrahler im Bad). Der Heizstrahlerkreis war mit zwei schwarzen Adern eingezogen (ab dem 2-poligen Ausschalter 2 grauen Adern), der eine Allgemeinkreis mit grün, grün und rot und der andere - oh Wunder - mit schwarz, grau und rot!

Bei meiner Oma in NRW (Bruchbude Bj. um 1930 in MS; von einer Familie GWS-Installateure hochgezogen) bestand die Originalinstallation auch komplett aus schwarzen NGA für L und N. Als zusätzliche Würze nirgends Schukosteckdosen, trotz originaler Zentralheizung mit (no na) Stahlrohren. Ein Teil war dann nachträglich saniert mit NYA sw-gr-rt, zumindest wenn noch genug von jeder Farbe da war. Die Wohnzimmerleuchte (Serienschalter) hatte rot (N) und 2x grau. Zu einer Kombi Ausschalter-Steckdose liefen (in Bergmannrohr) sw, gr und 2x rt. Wenn da jemand den falschen roten an den Schalter klemmt knallts...
In der Küche gab es eine Kombi Serienschalter-Schukosteckdose. 4 schwarze und eine graue NYA. Zur Deckenleuchte: 1x NGA in fortgeschrittenem Zerfallszustand, 2x sw von einer zerlegten Stegleitung. Im Esszimmer zwei Schukosteckdosen. Die eine: NYIF-J 3x1,5. Zumindest bis zur Klemmdose hinter der Schrankwand. Ab dort NYIF 2x1,5 (sw-gr). Bei der zweiten Schuko direkt sw und gr. Netzform: TT, FI mit 0,5 A. Eine Zeitlang ist mal ewig der FI geflogen, weil die Schlafzimmerinstallation von oben abgesoffen ist. Achso, und die Waschmaschine im Keller war glaube ich mit NYM 4x1,5 (sw-gr-bl-rt) und H20(!) angeschlossen.
Wohnungszuleitung NGA 3x2,5 soweit ich das erkennen konnte (oder höchstens 4 mm2) in sw-gr-rt, unten in der Zählertafel ein einsamer L25. Ich muss echt mal die Fotos suchen.
Trumbaschl
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Beitrag von Trumbaschl »

Haben sich mittlerweile neue Erkenntnisse bezüglich der historischen Normen ergeben?

Ich weiß mittlerweile, dass die Bibliothek der TU Wien ÖVE-Normen hat, ältere allerdings nur unvollständig. Da muss ich mich erkundigen wie man da drankommt, ich vermute die Normen sind nicht im Freihandzugriff und ich habe keinen Leseausweis.
E_F

Beitrag von E_F »

Ich hätte an der ganzen Geschichte auch großes Interesse ..
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kabelmafia
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Beitrag von kabelmafia »

Moin,

leider bisher nicht, nein...
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Beitrag von Trumbaschl »

kabelmafia hat geschrieben:Moin,

leider bisher nicht, nein...
Schade!

Ich versuche bei Gelegenheit in der TU-Bibliothek zu weiteren Infos zu kommen!
Trumbaschl
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Re: Alte VDE-Ausgaben

Beitrag von Trumbaschl »

Gestern kam mich ein Kollege im Büro besuchen und legte mir vier in einem offenen Bücherschrank gefundene Bücher auf den Schreibtisch - eines davon war die Originalausgabe der EVW 1 (Sicherheitsvorschriften für elektrotechnische Starkstromanlagen) von 1926!

Das ist ein recht handliches Büchlein, 95 Seiten, dazu 25 Seiten Anhang EVW 2 (Schaltzeichen und Schaltbilder). Lose beigelegt sind die EVW 3 (Vorschriften für die Prüfung von Schmelzsicherungen), EVW 4 (Vorschriften für die Prüfung von Dosenschaltern für Spannungen bis 750 V und Stromstärken bis 60 A), EVW 5 (wie vor, jedoch für Steckvorrichtungen) und EVW 6 (Prüfung von Glühlampenfassungen), je zwei bis sechs Seiten. EVW steht für "Elektrotechnischer Verein Wien", also den Vorgänger des ÖVE.

Das Vorwort gibt Aufschluss über die Existenz von Vorgängernormen, die "Regulative" des EVW in den Ausgaben von 1888, 1892, 1899 und 1907 mit späteren Detail-Abänderungen, vor allem im Bereich Leitungen und Freileitungen.

Zum Thema "Kennzeichnung von Leitern" finde ich nicht die geringsten Hinweise, habe allerdings bislang noch nicht den gesamten Text durchforstet. Bis auf weiteres gehe ich davon aus, dass eine farbliche Kennzeichnung geerdeter Leiter vor 1938 tatsächlich nicht vorgeschrieben war. Über die Verlegung von Aderleitungen hüllt sich die Norm auch weitgehend in Schweigen. Erwähnt wird, dass die Verlegung blanker Rohrdrähte unter Putz unzulässig ist (§ 49.1). § 47.5 fordert, dass fest verlegte isolierte Leitungen offen oder so angeordnet sein müssen, dass sie jederzeit elektrisch geprüft werden können, die Verlegung in Holzleisten ist unzulässig. § 48.1 erlaubt "aus dem Bettungsmaterial ausgesparte Rohre, z.B. Gipsrohre", eine Kuriosität, die mir tatsächlich erst in einem einzigen Haus begegnet ist. Eventuell waren damalige Elektriker der Ansicht, dass eine Verlegung von Aderleitungen direkt in Putz äquivalent zu Gipsrohren ist (allerdings ist sie ein klarer Verstoß gegen Abs. 3 "Die lichte Weite der Rohre, die Zahl und die Ausführung der Krümmungen sowie die Zahl der Dosen müssen so gewählt werden, daß man die Leitungen ohne Beschädigung ihrer Isolation leicht ein- und ausziehen kann."

Spannend finde ich § 56 zur Verwendung und Bemessung von Sicherungen. Abs. 2: "Geerdete Nulleitungen von Mehrleiter- oder Mehrphasensystemen sowie alle anderen betriebsmäßig geerdeten Leitungen dürfen keine Stromsicherung erhalten und müssen durchlaufend deutlich gekennzeichnet werden, damit sie nicht mit gesicherten Leitungen verwechselt werden können."
Abs. 3 "Isolierte Leitungen, welche von einem geerdeten Nulleiter abzweigen und Teile eines Zweileitersystems bilden, müssen trotz obiger Bestimmung gesichert werden und brauchen dann nicht besonders gekennzeichnet zu werden."
Das legt einerseits die gelebte Praxis, den N bzw. Mittelleiter von Endstromkreisen zu sichern, verbindlich fest. Andererseits deutet es meiner Meinung nach an, dass eine farbliche Kennzeichnung dieser Leiter nicht zwingend gefordert war.
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