Der Persilschein im Betreiberrecht

Alles Rund um das Thema Elektrotechnik das nicht über eigene Foren abgedeckt ist.
Antworten
laut&hell
Null-Leiter
Beiträge: 78
Registriert: Samstag 23. Februar 2019, 21:22

Der Persilschein im Betreiberrecht

Beitrag von laut&hell »

Liebe geplagte Kollegen die tagein, taugaus versuchen, technischen Laien die Sinnhaftigkeit von gesetzlichen Vorschriften zum Personenschutz nahezubringen - es ist geschehen - der erste Persilschein wurde ausgestellt.

Dies geschah im Nachgang einer "angeregten" Diskussion mit dem Betreiberverantwortlichen, ob Betriebstechnik wichtiger als Haustechnik ist.
Zur Einordnung, im Bereich Betriebstechnik geht es hier nicht um den Stillstand einer Fertigungsstraße - Wir bewegen uns da mehr in der Liga von "Büromitarbeiter Krause weiß nicht wie der Lichtschalter angeht und sitzt im Dunkeln - ganz klarer Fall für die Haustechnik". Oder Büromitarbeiterin Müller hat versehentlich Nagellack auf ihrem Schreibtisch verschüttet - auch ganz klarer Fall für die Haustechnik das zu reinigen - das kann ja keine normale Reinigungskraft. Die Beispiele sind zwar frei erfunden, stellen aber in etwa die geistigen und fachlichen Ansprüche an den Ausführenden der Tätigkeit dar.

Dem gegenüber steht ein Haus - vollgepackt mit Sicherheitstechnik in der Bandbreite von vor 30 Jahren schon falsch errichtet, unsachgemäß verpfuscht bis hin zu Totalausfall (das sehen die jeweiligen Sachverständigen der Prüforganisationen übrigens auch so).

Ja, anlässlich eines ebensolchen Themas kam die Diskussion auf, dass man die Mitarbeiter (alles gelernte Handwerker mit teilweise langjähriger Berufserfahrung) vielleicht effektiver einsetzen könnte, um langsam mal den Mängeln Herr zu werden und den gesetzlichen Inspektionen (wie z. B. Der regelmäßigen Testauslösung der RCD - Immerhin einige 100 Stück mit Herstellervorgaben von teils monatlicher Auslösung) sowieso schon kaum oder gar nicht mehr hinterherkommt.

Daraufhin wurde tatsächlich schriftlich festgehalten, dass der Betrieb ganz klar Vorrang hat, was zwangsweise die Vernachlässigung von technischen Erfordernissen zur Folge hat.

... Losgelöst von der Tatsache, dass die Loyalität zu einem solchen Arbeitgeber mal hinterfragt werden sollte wäre es schon interessant zu wissen, wie die Rechtsprechung in einem solchen Fall aussehen würde, wenn der offenkundig völlige Laie als Betreiber sich dann doch darauf besinnt, dass ihm die Folgen seines Handelns mangels Fachwissen nicht bewusst waren.

Ob dann so ein Schriftstück noch Bestand hat...?
Olaf S-H
Beiträge: 13786
Registriert: Montag 10. Januar 2005, 23:57

Re: Der Persilschein im Betreiberrecht

Beitrag von Olaf S-H »

Moin laut&hell,

es wird vor Gericht immer die Schlampe gesucht.

§ 3 ArbSchG regelt, dass der Arbeitgeber erstmal für alles verantwortlich ist. § 13 ArbSchG ermöglicht ihm, seine Pflichten auf andere zu Übertragen. Dann muss er gem. § 7 ArbSchG einen geeigneten Mitarbeiter auswählen.

§ 3a ArbStättV gibt vor, die Arbeitsstätte nach dem Stand der Technik zu betreiben.

Frage eines Richters: "Arbeiten Schlampen bei Ihnen?"
Antwort des angeklagen Unternehmers: "Natürlich nicht."
Kommentar des Richters: "Und warum verhandeln wir heute hier?"

Wir haben hier 3 Verantwortungenzu betrachten: Auswahlverantwortung, Handlungsverantwortung, Kontrollverantwortung. Die Handlungsverantwortung kann ich delegieren, den Rest nicht.

Wenn alles gut Zureden nichts nützt, dann kommt das Recht aus § 17(2) ArbSchG auf den Tisch. Der Mitarbeiter darf den Arbeitgeber fachgerecht anscheißen, wenn er sich einen feuchten Kehricht um den Arbeitsschutz kümmert. In der Theorie dürfen ihm dabei keine Nachteile netstehen - in der Praxis sollte man vorher woanders unterschrieben haben. :D

Gruß Olaf
Dies ist keine rechtsverbindliche Auskunft sondern meine Meinung bzw. mein Tipp für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland! Die einschlägigen Normen/Vorschriften (z. B. DIN, VDE, TAB, DGUV, TRBS, BekBS, NAV, EN, LBO, LAR, ArbStättV, BetrSichV, ProdSG, ...) sind zu beachten. Ein Rechtsanspruch kann hieraus nicht abgeleitet werden. Die Nennung von Fundstellen in Regelwerken stellt keine Rechtsberatung sondern nur die Sichtweise des Verfassers dar.
vde1
Für elektrotechnische Laien gilt: Dieser Beitrag erläutert die technischen Zusammenhänge. Die Umsetzung obliegt den konzessionierten Fachbetrieben (§13(2)NAV).

"Wer eine Handlung begeht, der übernimmt auch alle daraus folgende Pflichten." §33 I-3 prALR 1794
Antworten