Elektrogeräte Eigenbauten im Betrieb

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toshi
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Elektrogeräte Eigenbauten im Betrieb

Beitrag von toshi »

Hallo Allerseits,

bei uns im Betrieb sind über die vergangenen Jahrzehnte eine Menge von Eigenbauten im Bereich Meß- und Prüfgeräte sowie Fertigungshilfsmittel sowohl in der Entwicklung im Labor als auch in der Fertigung im Einsatz.
Die Mehrzahl der Geräte hat kein Typenschild, keine Dokumentation, natürlich keine CE-Konformitätsbewertung.

Im letzten Audit gab es dafür eine Beanstandung. Weiterhin weigert sich wohl zu Recht unser Dienstleister für die Geräteprüfung seit Neuestem die Geräte gemäß DGUV V3 zu prüfen.

Bei vielen dieser Geräte ist der "Hersteller" sprich der Kollege, der sie gebaut hat, gar nicht mehr bei uns.

Hat jemand eine Idee für ein formales Vorgehen, wie man diese Geräte sicher, rechts- und auditkonform betreiben kann?
Ich könnte mir eine recht große Bandbreite zwischen entsorgen / sperren und die volle Flöte hinsichtlich CE Konformität/Dokumentation vorstellen, die sich im Einzelfall gar nicht lohnen wird.

Ganz einfaches Beispiel. Ein Gerät ist ein Druckanzeigemodul mit 230V Spannungsversorgung. Dieses ist in ein Kunststoffgehäuse eingebaut.
Das Gehäuse verfügt über eine Kaltgeräteanschlußbuchse mit Feinsicherungshalter sowie der Anschlußbuchse für den Drucksensor.

Ich habe gerade die VDE Schrift 178 "Produktsicherheitsrecht" vor mir.
Hier ist zu lesen (2.3.3.13) man benötigt eine GB und eine Erklärung der Verwendungssicherheit sowie der "Feststellung, daß die getroffenen Sicherheitstechnischen Maßnahmen geeignet und funktionsfähig sind" und keine CE Konformitätserklärung, wenn man als Betrieb ein Gerät von einem Hersteller betreibt ohne CE. Aber so ganz schlau werde ich nicht aus diesem Werk, da wäre ein Jurastudium kein Fehler gewesen.

Genügt es, daß ich mich versichere, daß vorliegendes Gerät den anerkannten Regeln der Technik entsprechend aufgabaut ist (Gehäuse stabil und isolierend, Leitungsquerschnitte, Klemmen angezogen, Zugentlastung, Dokumentation der Einzelteile hinsichtlich CE vorhanden, Schaltplan, Typenschild mit SK, Leistungsaufnahme, Hersteller, Bezeichnung, SN), oder begehe ich hier einen Fehler?

Gruß und danke
toshi
Olaf S-H
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Re: Elektrogeräte Eigenbauten im Betrieb

Beitrag von Olaf S-H »

Moin toshi,

guck mal in die Niederspannungsrichtlinie (Artikel 1 und Anhang II). Dort stehen Ausnahmen drin. Die Aufgabe wäre ja zu prüfen, unter welche Richtlinie das Gerät fällt.

Die Prüfung gem. DGUV bzw. BetrSichV ist nicht von der CE-Kennzeichnung abhängig, wenn es keine EU-Richtline für das Betriebsmittel gibt.

Gruß Olaf
Dies ist keine rechtsverbindliche Auskunft sondern meine Meinung bzw. mein Tipp für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland! Die einschlägigen Normen/Vorschriften (z. B. DIN, VDE, TAB, DGUV, TRBS, BekBS, NAV, EN, LBO, LAR, ArbStättV, BetrSichV, ProdSG, ...) sind zu beachten. Ein Rechtsanspruch kann hieraus nicht abgeleitet werden. Die Nennung von Fundstellen in Regelwerken stellt keine Rechtsberatung sondern nur die Sichtweise des Verfassers dar.
vde1
Für elektrotechnische Laien gilt: Dieser Beitrag erläutert die technischen Zusammenhänge. Die Umsetzung obliegt den konzessionierten Fachbetrieben (§13(2)NAV).

"Wer eine Handlung begeht, der übernimmt auch alle daraus folgende Pflichten." §33 I-3 prALR 1794
toshi
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Re: Elektrogeräte Eigenbauten im Betrieb

Beitrag von toshi »

Danke Olaf,

die Richtlinie hab ich auch schon durchgelesen. Ich kann für einen Teil der Geräte argumentieren, es handele sich um "Kunden- und anwendungsspezifisch angefertigte Erprobungsmodule, die von Fachleuten ausschließlich in Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen für ebensolche Zwecke verwendet werden." Das heißt einfach, ich kann die Richtlinie 2014/35/EU nicht nutzen und muß mir was anderes suchen?

Oder heißt das einfach, Geräte zum Anschluß ans Niederspannungsnetz, die in Forschung und Entw. von Fachleuten benutzt werden, brauchen kein CE, weil es keine Richtlinie gibt, die diesen Fall abdeckt?

Darf ich dann einfach nach Deiner Einschätzung die Prüfung nach DIN VDE 702 / DGUV V3 / BetrSichV durchführen für diese Eigenbauten?

Die Prüfer der externen Prüf-Firma bekommen von ihrem Chef einfach gesagt, "prüft keine Eigenbauten ohne CE", einfach weil er das Risiko nicht tragen will. Deshalb ist das Thema bei uns im Audit auch aufgefallen.

Gruß
toshi
Olaf S-H
Beiträge: 13786
Registriert: Montag 10. Januar 2005, 23:57

Re: Elektrogeräte Eigenbauten im Betrieb

Beitrag von Olaf S-H »

Moin toshi,

bitte das Pferd in der richtigen Richtung aufzäumen.

Hier ist ein Gerät. Was ist es? Fällt es unter die Niederspannungsrichtlinie (also ProdSG i. v. m. 1. ProdSV)? Wenn ja, gibt es hierzu zugehörige Produktnormen. Wenn nein, gibt es eine andere Richtlinie (z. B. EMV)? Wenn ja, dort weitergucken. Wenn nein, ergibt meine Gefährdungsbeurteilung, welche Produktnormen ich anwenden kann/muss/sollte.

Gruß Olaf
Dies ist keine rechtsverbindliche Auskunft sondern meine Meinung bzw. mein Tipp für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland! Die einschlägigen Normen/Vorschriften (z. B. DIN, VDE, TAB, DGUV, TRBS, BekBS, NAV, EN, LBO, LAR, ArbStättV, BetrSichV, ProdSG, ...) sind zu beachten. Ein Rechtsanspruch kann hieraus nicht abgeleitet werden. Die Nennung von Fundstellen in Regelwerken stellt keine Rechtsberatung sondern nur die Sichtweise des Verfassers dar.
vde1
Für elektrotechnische Laien gilt: Dieser Beitrag erläutert die technischen Zusammenhänge. Die Umsetzung obliegt den konzessionierten Fachbetrieben (§13(2)NAV).

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toshi
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Re: Elektrogeräte Eigenbauten im Betrieb

Beitrag von toshi »

Hallo Olaf,

Das versuche ich doch....
Ob die LVD zutrifft ist unterschiedlich. Beim obigen Beispiel "Druckanzeigemodul im Gehäuse mit Netzanschluß" trifft die Niederspannungsrichtlinie in der Fertigung zu, aber wenn das Gerät in der Entwicklung im Labor steht, nicht (siehe Ausnahmeliste in der LVD).

Als Produktnorm würde ich dann (in der Fertigung) nach Lektüre der Normenliste L306/26 zur LVD entweder die DIN EN 60335-1 VDE 0700-1 oder DIN EN 61010-1 VDE 0411-1 heranziehen.

EMV würde ich hier vernachlässigen. Das hat der Hersteller des Druckanzeigemoduls schon gemacht und ich kann annehmen, mein Gehäuse und der Netzanschluß verschlechtern den Zustand aus EMV-Sicht nicht.

Gruß
toshi
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SPS
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Re: Elektrogeräte Eigenbauten im Betrieb

Beitrag von SPS »

Sorry
Mit freundlichem Gruß sps
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Re: Elektrogeräte Eigenbauten im Betrieb

Beitrag von Elektromann »

Hallo,
schön, dass Du Dir Gedanken gemacht hast und ganz so schlimm ist es eigentlich nicht...
toshi hat geschrieben: Sonntag 10. September 2023, 19:27 Das versuche ich doch....
Ob die LVD zutrifft ist unterschiedlich. Beim obigen Beispiel "Druckanzeigemodul im Gehäuse mit Netzanschluß" trifft die Niederspannungsrichtlinie in der Fertigung zu, aber wenn das Gerät in der Entwicklung im Labor steht, nicht (siehe Ausnahmeliste in der LVD).
Das Druckanzeigemodul kaufst Du ja fertig ein.
OK jetzt eine Risikobeurteilung:
Druckmodul = Fertig weil schon durch Hersteller erledigt
Gehäuse: kein Problem, es sei denn ATEX; Aufschreiben der Komplettaufbau ist nicht für den Einsatz in EX-Bereichen geeignet
Spannungsversorgung: Bei Schutzkleinspannung wärst Du jetzt fertig
Bei 230V:
Stromaufnahme abklären
Verdrahtung und Sicherung auslegen (Berechnungen sind ein Dokument! also Datum und Unterschrift)
Umsetzung planen - Einzelfertigung -> nach Schaltplan in der Werkstatt
Gesamtaufbau prüfen -> Prüfprotokoll entwickeln (nach s.o.)
toshi hat geschrieben: Sonntag 10. September 2023, 19:27 Als Produktnorm würde ich dann (in der Fertigung) nach Lektüre der Normenliste L306/26 zur LVD entweder die DIN EN 60335-1 VDE 0700-1 oder DIN EN 61010-1 VDE 0411-1 heranziehen.

EMV würde ich hier vernachlässigen. Das hat der Hersteller des Druckanzeigemoduls schon gemacht und ich kann annehmen, mein Gehäuse und der Netzanschluß verschlechtern den Zustand aus EMV-Sicht nicht.
Das noch aufnehmen in die Risikobewertung,
dann noch eine kleine Bedienungsanleitung mit den Teilen Sicherheit/Einbau+Verwendung
und schon hat man fast das Konformitätsbewertungsverfahren durchlaufen...
Na ok, ein bischen ist noch zu tun, aber so mache ich das im Prinzip für unsere Kunden
Der Unterschied zwischen Theorie und Praxis, ist in der Theorie geringer als in der Praxis old-man1
toshi
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Re: Elektrogeräte Eigenbauten im Betrieb

Beitrag von toshi »

@Elektromann Herzlichen Dank für die hilfreiche Einschätzung! Genau so werde ich es machen.
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